zum Hauptinhalt
Eine Postkarte aus dem franquistischen Spanien zeigt die Mittelmeerküste.

© Museum Europäischer Kulturen / Christian Krug

Ferien unter Franco: In der Sonne relaxen, wo Unfreiheit herrscht

Das Museum Europäischer Kulturen in Dahlem widmet sich einem widersprüchlichen Phänomen: Urlaub in der Diktatur. Unser Autor hat eigene Erfahrungen gemacht.

Stand:

Plötzlich tauchten sie aus dem Nichts auf, die Männer in ihren grünen Uniformen mit den berühmten schwarzen Lackhüten und den glänzenden Schaftstiefeln der Guardia Civil. Sie strahlten Autorität pur aus. Mir war etwas mulmig an der Placa Reial 1971 in Barcelona.

Sie interessierten sich für meine alte lederne Patronentasche, in der ich Pfeife und Tabak hatte. Eine unangenehme Begegnung in einem Land, in dem der Diktator Franco mit harter Hand regierte. Dieses mulmige Gefühl beim Anblick der gefürchteten Guardia Civil spiegelt sich auch in den Arbeiten der Künstlerinnen und Künstler, die ihre Kindheitserinnerungen an den Spanienurlaub in der Diktatur in der sehenswerten Ausstellung „Vamos a la Playa. Ferien unter Franco“ im Museum Europäischer Kulturen zeigen.

Katalanisch war verboten

Wer in den 60er und 70er Jahren nach Spanien reiste, dachte kaum daran, Urlaub in einer Diktatur zu machen, in der jedes Streben nach Freiheit unterdrückt wurde. Kuratorin und Künstlerin Monika Anselment registrierte zwar als Kind auf den Reisen der Familie nach Spanien, dass sie mit Jungs im Restaurant Spanisch sprechen konnte, diese sich aber untereinander in einer Sprache verständigten, die sie nicht verstand – im verbotenen Katalanisch, wie sie in einem Comic zeigt.

Katalanische Traditionen im Urlaubsland: Bei den „Castells“, wie die Menschentürme auf Katalanisch heißen, wetteifern verschiedene Gruppen um den besten Turm.

© Carlos Collado

Als Kind hinterfragte sie das nicht. Europäische Touristen suchten das preiswerte Vergnügen und der Diktator förderte den Massentourismus, weil das Land dringend Devisen und positive Geschichten brauchte, die die Reisenden zu Hause über Spaniens schöne Landschaften, seine freundlichen und frommen Menschen erzählten.

Was hinter dieser geschönten Fassade wirklich steckte, zeigt die eindrucksvolle Installation „Die Straße der Unschuld“ aus zehn Videoboxen von Christoph Otto, in denen er die Geschichten der Einheimischen denen deutscher Touristen gegenüberstellt. Ein Spanier erinnert sich an seine Jugend, in der er nicht über Politik reden durfte, in die Kirche gehen musste und die Inhaftierung seiner Eltern miterlebt.

Stefanie Unruhs Installation „Innocence of Landscape“ in der Ausstellung „Vamos a la playa. Ferien unter Franco“ im Museum Europäischer Kulturen.

© Stefanie Unruh (VG Bild-Kunst, Bonn 2025)/Foto: Carles PALACIO

Als er nach Stockholm auswanderte, wunderte er sich, dass dort die Menschen auf der Straße ganz normal mit Polizisten redeten. Als er nach Francos Tod in sein Dorf zurückkehrte, blieb er der Fremde, denn viele seiner Nachbarn waren der Meinung, dass unter Franco alles besser gewesen sei. Davon weiß eine ehemalige Touristin nichts, Sangria und Paella seien eben preiswert gewesen, von der Diktatur habe man nichts bemerkt, außer in der Zeitung.

Die einen leiden, die anderen genießen

Die Unterdrückung verlief aber auch subtiler. „Die Großmutter meines Freundes gab mir den Rat, beim abendlichen Spaziergang nicht das ärmellose Kleid zu tragen“, erinnert sich Ulrike Weiss. Sie zeigt in Fotos, die mit Stickereien und filigranen Mustern überdeckt sind, Floskeln aus Ratgebern zur „buena esposa“, der „guten Ehefrau“: „Sei süß und interessant“, „Bringe dein Haus in Ordnung!“

Der Urlaub in der Diktatur war ein Urlaub voller Widersprüche. Da kamen die ersten Hippies aus Amerika nach Formentera und Ibiza und flohen vor dem Vietnamkrieg, lebten ein freies Leben in einem Land, das unter der Unfreiheit litt. Diese Erfahrung spricht aus der Installation „Convivència“ (Zusammenleben) von Annette Riemann und Tom Theunissen, in der sie historisches Bildmaterial mit den gefilmten Urlaubserinnerungen von Annette Riemann und ihrer Schwester kombinieren.

Auch Jörg Zimmer überblendet raumhoch Urlaubsfotos vor einem riesigen Spiegel, der den Betrachter mit einbezieht. Hinfahren oder fernbleiben? Es gibt Stimmen, die sagen, dass der Kontakt zwischen Bevölkerung und Touristen wichtig sei, denn eine Veränderung komme in der Regel nur von innen.

Stefanie Unruh dokumentiert die Geschichte deutscher Emigranten, die auf Mallorca Zuflucht suchten und nach dem Sieg Francos und seiner deutschen Verbündeten erneut fliehen mussten. Eine interessante und zum Nachdenken anregende Ausstellung über eine fast vergessene Episode des aufkommenden Massentourismus im Spanien der Franco-Ära, der allerdings eine etwas ausführlichere Beschriftung gutgetan hätte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })