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Fernsehnutzung in Deutschland: Gibt es ein West-Ost-Gefälle?
Wenden sich Menschen aus dem Osten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab? Der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff legt das nahe. Hat er recht?
Stand:
Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ist ein wahrer öffentlich-rechtlicher Schreck. Nur wenige Auftritte, wo der Politiker nicht zur Kritik ansetzt, Reformen, Einsparungen und die Abkehr vom „Westfernsehen“ propagiert. „Wenn ein System nicht mehr die Akzeptanz bei denen hat, für die es da ist, und die einfach nicht mehr mitmachen“, ist ein Satz, den Haseloff bei der Evangelischen Akademie Tutzing gesagt hat, der unbedingt in seinen Mantra-Kreis gehört.
Was die Zahlen sagen
Ost-Politiker wie Rainer Haseloff vermitteln zu gerne den Eindruck, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte im Osten abgewirtschaftet. Ein Blick in die Zahlen der ARD-Medienforschung gibt ihm nicht recht. Im Gegenteil: Die Fernsehnutzung von ARD- und ZDF-Programmen liegt in den Bundesländern Thüringen (50,8 Prozent Marktanteil), Brandenburg (51,8 Prozent) und Sachsen (53,5 Prozent) über dem Bundesdurchschnitt von 50,3 Prozent.
Sieht man sich die Marktanteile öffentlich-rechtlicher Programme im Jahr 2022 nach Bundesländern an, dann liegen die Bremerinnen und Bremer mit 54,9 Prozent eindeutig vorne. Knapp dahinter, mit 54,4 Prozent, liegt das öffentlich-rechtliche Publikum in Hessen. Die weitere Reihenfolge lautet: Sachsen (53,5 Prozent), Saarland (53,4 Prozent), Brandenburg (51,8 Prozent), Bayern (51,6 Prozent), Thüringen (50,8 Prozent), Rheinland-Pfalz (50,4 Prozent) und Niedersachsen (50,3 Prozent).
An Deutschlands Nord- und Ostseeküste fallen die Marktanteile für ARD und ZDF am schwächsten aus. Mecklenburg-Vorpommern liegt bei 44,4 Prozent, Schleswig-Holstein kommt auf 45,3 Prozent und Hamburg auf 48,1 Prozent. Fehlt da ein Bundesland? Richtig, Berlin ist noch nicht dabei. Die Hauptstadt ist keine öffentlich-rechtliche Fanbase: 45 Prozent Marktanteil markiert den vorletzten Platz.
... wenn ein System nicht mehr die Akzeptanz bei denen hat, für die es da ist, und die einfach nicht mehr mitmachen ...
Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
Interessant dabei ist, wie die einzelnen Ergebnisse von den jeweiligen landeseigenen ARD-Dritten beeinflusst werden. Das MDR-Fernsehen erreicht in Sachsen den Spitzenwert von 12,8 Prozent, Thüringen schaltet dieses Programm zu 8,6 Prozent ein, das Reiner-Haseloff-Land ist mit 7,7 Prozent dabei.
Unter anderen Ländern ragt noch Bremen mit 9,5 Prozent heraus, Schleswig-Holstein folgt mit 8,9 Prozent Marktanteil für das NDR-Fernsehen, Hamburg mit 8,6 Prozent, ex aequo mit Thüringen. Schlusslichter bilden Berlin (5,7 Prozent) und Brandenburg (5.5), was zeigt, welche Aufgabe der Rundfunk Berlin-Brandenburg vor sich hat, wenn er die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler mehr für das RBB-Fernsehen begeistern will.
Noch ein Wert, der ins Auge sticht: In keinem Bundesland werden die ARD-Dritten zusammen so ausgiebig genutzt wie in Sachsen: 19,8 Prozent, Hessen folgt dahinter mit 14,8 Prozent, Berlin belegt mit 10,7 Prozent den letzten Platz.
Was die Zahlen in Summe ausweisen: Es gibt in der Fernsehnutzung der deutschen Bevölkerung kein West-Ost-Gefälle. Auch wenn die Werte Reiner Haseloff nicht gefallen werden, so sind sie eben eines: faktisch, stichhaltig, eindeutig.
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