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„Berlin is not Salzburg“ von Glanz & Krawall

© Peter Van Heesen

Festival „Berlin is not Salzburg“: Mozart trifft Mielke im Stasimuseum

Gegen Kultur als Kommerz: Die Gruppe Glanz und Krawall nimmt sich für ihre Open-Air-Reihe „Berlin ist not...“ in diesem Jahr Salzburg und Mozarts Zauberflöte vor.

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Die aufblasbare Mozartkugel auf dem Vordach des Stasimuseums ist dem Festivalteam leider nicht gestattet worden. Schade! Sie hätte eine besondere Note in dieses tote Areal in Lichtenberg gebracht, das seit dem Ende der DDR zwar seinen Schrecken, aber nichts an Seelenlosigkeit eingebüßt hat. Sei’s drum, der Ort wird sich auch ohne Süßwarenattrappe verwandeln.

Hier, zwischen den Plattenburgmauern der vormaligen Spitzel-Zentrale, entsteht aus Holzpaletten die Bühne für das Festival „Berlin is not Salzburg“ – in der künstlerischen Leitung von Marielle Sterra und Dennis Depta, den Köpfen der Gruppe Glanz und Krawall, die noch immer für den spannendsten Begriff eines anderen Musiktheaters steht. Für eines, das die Barrieren des klassischen Betriebs einreißt und den Opernkanon so kunst- und lustvoll ins Spektakel schraubt, dass er auch für Hochkulturferne andockfähig wird. 

Fußballspielen mit der Mozartkugel.

© Peter Van Heesen

Die Open-Air-Reihe „Berlin is not…“ haben Glanz und Krawall 2019 mit einer Wagner-Ausgabe gestartet.  „Berlin is not Bayreuth“ war ein überbordendes „Tannhäuser“-Happening auf dem Gelände der B.L.O.-Ateliers in Lichtenberg, eine elektrisch geladene Performance-Wartburg. Inzwischen sind die Macherinnen und Macher bei der fünften Festival-Edition angelangt – und nehmen jetzt die Mozart-Stadt nebst ihrer Ausverkaufstendenzen in den Fokus.

Die „Salzburgisierung“ Berlins

„Salzburg ist die Verwirklichung des Ideals, das unser ehemaliger Kultursenator Joe Chialo im Sinn hatte: viel Sponsoring, hohe Ticketpreise und überhaupt ein gründlich durchkommerzialisierter Kulturbegriff“, sagt Dennis Depta. „Wir untersuchen zugespitzt die Salzburgisierung Berlins“, beschreibt Marielle Sterra. „Sind wir auch schon auf dem Weg zu einer Stadt, die nur noch als Kulisse für Touristen dient?“.

Fest steht: Es wird nicht leichter, in Berlin noch Freiräume für das Festival zu finden, Orte, die noch nicht bebaut, nachverdichtet oder in Privathand sind. Das Areal aus Stasimuseum, Stasi-Unterlagen-Archiv und Campus für Demokratie an der Normannenstraße bietet aber nicht nur Platz und Transformations-Potenzial. Sondern auch inhaltliche Links zu dem Werk, das im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung von „Berlin is not Salzburg“ stehen wird: Mozarts Megahit „Die Zauberflöte“.

In dem ehemaligen Machttempel der DDR, wo „7000 Männer und wenige Sekretärinnen gearbeitet haben“, so Depta, spiegele sich mit ein wenig epochenübergreifender Fantasie der alles dominierende Männerorden Sarastros. Mozart trifft Mielke. „Die Oper macht Fragen nach Machtverhältnissen und Gerechtigkeit auf, überhaupt danach, wem sich trauen lässt?“, beschreibt Sterra.

Nach erprobtem Glanz und Krawall-Prinzip wird „Die Zauberflöte“ bei diesem Festival in Einzelteile zerlegt, die sich aufgeladen von Berliner Künstlerinnen und Künstlern zu einem neuen Gesamtkunstwerk fügen. Mit Kaey und Brokolya interpretieren zwei Drag-Acts die Rolle der Königin der Nacht neu. Die Gruppe Hannsjana beleuchtet zusammen mit dem Theater Thikwa in „Die Zauberblockflöte“ ein Instrument mit Gruselimage, das allerdings niedrigschwellige Zugänge zur Welt der Klassik öffnen kann.

Sie zerlegen „Die Zauberflöte“ in ihre Einzelteile.

© Peter Van Heesen

Schülerinnen und Schüler der benachbarten Mildred-Harnack-Schule steuern eine Meta-Erzählung über ein Festival mit dem Titel „Berlin is not Salzburg“ bei, das leider ein tragisches Ende findet. Die Schlangenknaben – ein Performance-Trio, dessen Mitglieder sich bei einer Inszenierung der „Zauberflöte“ kennengelernt haben – verweben Mozart mit Clubsound. Und das musikalische Fusionsprojekt The toten Crackhuren auf der Einhornfarm bringt den Punk in die Oper.

Was übrigens nicht so weit entfernt von Mozart ist. Schließlich war der Komponist selbst ein Anti-Establishment-Vertreter: „Ich hoffe nicht, daß es nöthig ist zu sagen, daß mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist, und ich auf beydes scheiße“, schrieb er 1793 an seinen Vater Leopold – und packte die Koffer. In diesem Geiste geht das Festival auch „Die Zauberflöte“ und ihre heutige Mozartverkugelung an, wie Sterra und Depta versichern: „Mit einer hohen Komponente an Humor und Widerspenstigkeit.“

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