
© dpa/Wolfgang Kumm
60.000 Euro EU-Gelder genutzt: Sibylle Berg und Martin Sonneborn und ihr wirres Friedensspektakel in der Volksbühne
Keine Satire: Die Schriftstellerin Sibylle Berg und der Satiriker Martin Sonneborn spielen in der Berliner Volksbühne mit EU-Geld und dem Frieden in der Welt.
Stand:
John Lennon und Yoko Ono sind wieder da und heißen jetzt Sibylle Berg und Martin Sonneborn. Give peace a chance: Man erinnert sich vielleicht noch an das „Bed-in“ anno 1969, an den scheppernden Sound des Protestsongs und die ikonischen Bilder des langhaarigen Paares. Berg und Sonneborn versuchen sich jetzt an einer Coverversion, die zwischen Satire und heiligem Ernst herumirrt. Und die eine diffuse Stimmung im Lande auffängt.
„Revolution Nr. 01“ nannte sich das erste Happening an der Volksbühne, im Untertitel „Krieg & Frieden“. Berg und Sonneborn, die beiden fraktionslosen Mitglieder des Europäischen Parlament, haben hier 60.000 Euro aus der EU-Kasse „in den Sand gesetzt“, wie Sonneborn frohlockt. Das Geld steht den Parlamentariern für politische Veranstaltungen zu. Da hat man schon mal etwas gelernt.
Für eine neue Bewegung
Ein Sonntagnachmittag und -abend mit vielen Sonntagsreden, die Bude ist voll, das Thema bewegt, der Eintritt ist frei. Bei den Vorträgen im großen Haus, im Roten und Grünen Salon wird dann auch schnell klar, dass es hier gleich um alles geht. Um Frieden überhaupt. Israel und Gaza, die Ukraine und Russland, das sollte mal draußen bleiben. Es dreht sich vielmehr um spezielle Wissensvermittlung wie zum Beispiel „Risikokapital, Silicon Valley und Konflikt“ oder „Korruption im Internationalen Waffenhandel“ oder die Militarisierung des Luftraums und die Korruption im Bundestag und Frieden aus feministischer Sicht.

© IMAGO/Panama Pictures/Dwi Anoraganingrum
Im Foyer, wo noch die Bretterbuden des brutalen „Peer Gynt“-Spektakels herumstehen, ist eine Art Friedensbazar mit NGO-Ständen aufgebaut. Ein „Friedenscorps“, dirigiert von Christine Groß, die man aus René-Pollesch-Stücken kennt, begrüßt mit skandierten Zitaten von Brecht, Einstein und Marx (Groucho). Etwas Nostalgisches weht den Besucher an, die Initiatoren verweisen schließlich auf die Friedensbewegung der frühen Achtzigerjahre, das brauchen wir jetzt wieder, sagt Sibylle Berg.
Mach es wie die Bonobos
Sie legt sich auf das große Bett auf der Bühne, allerdings allein, und lauscht sichtlich vergnügt den Rappern aus England, die dem Publikum krachend einheizen, man versteht kein Wort. Dann wird Kai Michel deutlich. Der Historiker und Buchautor („Die Evolution der Gewalt“) führt aus, dass der Mensch an sich friedliebend sei. Nur die patriarchalen, kapitalistischen, monotheistischen Systeme sind nicht so. Zwar sind wir auch mit dem Schimpansen verwandt, einer durchaus gewalttätigen Affenart, aber es gibt zum Glück die Bonobos, die ihre Affenkonflikte mit Sex lösen.
Also Frieden schaffen ohne Affen. Oder mit den richtigen. Und ficken für den Frieden. Klaus Theweleit zeigt sich von der These nicht ganz überzeugt, hat aber eine ganz eigene Friedensfantasie. Er sagt: Hätte sich die Ukraine ohne Gegenwehr von den Russen überrollen lassen, wären nicht so viele Menschen gestorben. Und die Russen, siehe Afghanistan, hätten bald einsehen müssen, dass sich ein so großes Land nicht einfach so erobern und einverleiben lässt – und hätten sich zurückgezogen.
Also doch eine Satire-Veranstaltung? Es sollte um Alternativen zu Aufrüstung und Verteidigung gehen. Sibylle Berg hält die EU-Politikerin Kaja Kallas aus Estland, wo sie den Russen bedrohlich nahe sind, oder die Journalistin Anne Applebaum für „kriegsgeil“. Ganz allgemein will Berg eine „Kriegsbegeisterung“ ausgemacht haben. Für all das gibt es Applaus, nirgends Widerspruch.
Und so macht man es sich am „modernen Lagerfeuer“, wie Kai Michel es nennt, mit Verschwörungstheorien und selbstgerechten Denkblockaden gemütlich. Trump oder Putin sind nicht das Problem, meint Michel (jetzt kein Namenswitz bitte!), sondern wir selbst. Denn wir tun nichts. Aber was zu tun wäre, hat in der Volksbühne auch keiner so wirklich gesagt. Verteidigung ist in diesen Kreisen schon fast ein Kriegsverbrechen.
Draußen vor der Tür steht ein Panzer aus Sperrholz im Nieselregen. Sollte man gleich in die Ukraine liefern.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false