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Kultur: Generäle auf Abwegen

Wettbewerb (2): Altmeister Eric Rohmer entführt mit seinem „Triple Agent“ in die politischen Affären der Dreißigerjahre

Willkommen im Museum. Da stehen sie, da hängen sie, die Gesichter und Geister einer zwiefachen Vergangenheit. Auf den ersten Blick sind es die menjou- oder spitzbärtigen Herren, die nie ohne Hut auf die Straße gehen und den Schlips und die Manschettenknöpfe noch in der bescheidensten Mansarde oder in den Armen der schönsten Frau nicht vor dem Zubettgehen abnehmen. Wir sind im Paris der späten Dreißigerjahre, unter russischen Revolutionsemigranten, bolschewistischen Spitzeln, nazistischen Dunkelmännern – draußen regieren der ehrenwerte Leon Blum und die linke, bürgerliche Volksfront, fast wie in Spanien, wo allerdings Franco putscht und die Generalprobe für den Weltkrieg beginnt; Hitler und Stalin mischen die europäische Szene auf, und Paris wird auf dem Weg zwischen Moskau, Berlin und Madrid zur Bühne der geheimen Mächte und politisch pikanter, brisanter Machenschaften.

Wir sind im jüngsten Film des französischen Altmeisters Eric Rohmer freilich auch unter guten Bekannten: Krieg und Intrigen erscheinen vor allem als dialogische Gefechte (von Mann und Frau); und in dem weißrussischen Ex-General Fjodor und seiner dunkelhaarigen Gattin Arsinoé erkennen wir auch die Paare wieder aus Rohmers schon schier unzähligen und im besten Sinne auch moralisch erotischen Liebesgeschichten der Sechziger- bis Neunzigerjahre. Aber in diesem neuesten „Triple Agent“ bleiben die Figuren nur ein etwas matter Abglanz, sie haben inzwischen Staub angesetzt, und der bald 84-jährige Rohmer hat offenbar nicht mehr die Kraft (oder das Auge), hier zu polieren und dort einfach mal ein Fenster zu öffnen, für frischen Wind in seiner Erzählung zu sorgen.

„Triple Agent“ möchte zwar die Luken, Türen und Sinne öffnen. Hin zur großen Weltgeschichte. Doch diese bleibt in Rohmers Versuch eines sanften Agententhrillers nur garnierendes, erklärendes Zitat. Wie Motti einzelner Kapitel werden zwar immer wieder als Zeitchronik Wochenschauaufnahmen der Jahre 1936 bis 1940 eingeblendet – doch ergeben sich daraus in einer schematischen Abfolge nicht viel mehr als filmische Fußnoten. Nie werden diese Zwischenschnitte zu einem dramaturgischen oder gar dramatischen Kontrast, nie eröffnen sie eine zweite Erzählebene, welche die eigentliche Fiktion (mit mehreren verschwindenden Russengenerälen) in ein spannungsvolleres Licht setzen würde. Kamera und Schnitt tun dabei mit ihrer holprigen Uneleganz ein Übriges.

Manchmal nur blitzt noch der ursprüngliche Humor, scheint noch Eric Rohmers früher so meisterlich dezent gesetzte Ironie auf. Beispielsweise versucht die Frau des jungen Ex-Generals sich in der Emigration als Malerin durchzuschlagen. Aber es ist das Paris von Picasso und Braque, und gegen die Kubisten kämpft Arsinoé, gespielt von der aparten griechischen Schönheit Katerina Didaskalou, mit dem figürlichen Realismus der Jahrhundertwende an. Das freundliche Streitgespräch mit einem linken französischen Lehrerpaar, die in der Nachbarwohnung einen – allerdings unsignierten – Picasso besitzen, wird so im Umweg über die Kunst zur subtil amüsanten Polit-Debatte: Fjodor, der vor der Revolution geflohene Militär (und Agent), verteidigt die russische Seele gegen die Abstraktion, aber die Pariser Lehrer verweisen auf Malewitsch und die Suprematisten, die wiederum Stalin (mit dem Kunstgeschmack Fjodors) verfolgen und verbieten lässt. So gerät die Geschichte der politischen und menschlichen Wirren ein einziges Mal auf eine zweite, metaphorische Ebene.

Trotz mancher Hintertreppen und Versteckspiele aber klebt die Handlung zumeist am Vordergründigen: in langen Dialogen, die mitunter so trocken wirken wie der Hauptdarsteller Serge Renko als geschniegelt steifer Weißrusse auf roten, tödlichen Abwegen. Sein Dreifachagent Fjodor ähnelt einer Sphinx ohne Geheimnis, dieses Kind eines abenteuerlichen, verschworenen Zeitalters bleibt leider eine lebenslängliche Totgeburt.

Heute 12 Uhr und 18.30 Uhr (Royal Palast), 22.30 Uhr (International)

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