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In einer Stadt vor unserer Zeit. Die O2 World heißt längst Mercedes-Benz-Arena. Nur bei Google Street View noch nicht.

© Kai-Uwe Heinrich

Google Street View: Im Internet sieht Berlin aus wie 2008

Apple macht Google Konkurrenz zu Street View. Schade eigentlich, da sieht die Stadt immer noch aus wie vor zehn Jahren.

Der Kollege hat vor mehr als zehn Jahren mal im Halteverbot geparkt. Vielleicht aus Trägheit, um den Weg zur Haustür zur verkürzen.

Die Hinterräder ragten weit auf den Gehweg. Kunden, die mit Duschgel und Deo bepackt aus der „Schlecker“-Filiale am Eck kamen, mussten sich an seinem dunkelblauen Opel Astra vorbeiquetschen

Eine Frechheit, die für alle Zeiten als Bild dokumentiert ist, im Internet, für jeden einsehbar bei Google Street View. Dort können Nutzer mittels 360-Grad-Bildtechnik virtuell durch ganze Straßenzüge spazieren und sich umsehen.

2008 kündigte der Tech-Riese das als große Netzrevolution an. Es war der Sommer, in dem er die Stadt vermaß. Nur scheint die Zeit seitdem stehengeblieben, jedenfalls bei Google.

Der Astra ist längst verkauft, der Kollege parkt heute bestimmt vorbildlich, was aus den „Schlecker-Frauen“ wurde, weiß leider niemand so genau.

Ewig im Halteverbot. Schlecker gibt es längst nicht mehr, selbst der alte Opel ist längst verkauft.
Ewig im Halteverbot. Schlecker gibt es längst nicht mehr, selbst der alte Opel ist längst verkauft.

© Google Street View

Nun kündigte Apple einen Konkurrenzdienst an. Demnächst sollen Kamerawagen durch mehrere deutsche Städte fahren, um die Umgebung zu fotografieren. Berlin dürfte wohl auch dabei sein. Verglichen mit damals ist die Aufregung überschaubar. Bisher keine Wehklagen von Datenschützern, Falschparkern oder Leuten, die sich für ihre schmutzigen Fenster schämen.

Die Bedenken hielten nicht lang an, und so wurde Street View zu einem beliebten Tool, um bei der Wohnungssuche herauszufinden, ob der angepriesene Stuckbalkon über einer Pommesbude hängt, oder um bildhaft nachzuschlagen, was das Wellnesshotel im Schwarzwald unter „rustikalem Charme“ versteht.

Die Bedenken weichen der Nostalgie

Nun ist das alles völlig nutzlos in einer Stadt wie Berlin, wo man sich kaum die Schuhe zubinden kann, da ist aus der Cocktailbar ein Spätzle-Restaurant geworden, der Bäcker ein Burgerladen und die Zoohandlung „Hoppel & Co.“ eine schicke Boutique. Nur drei Beispiele aus 100 Metern Friedrichshain. So gesehen ist ein Update - und sei es vom Konkurrenten – höchst überfällig.

Aus die Maus. Die Zoohandlung in Friedrichshain existiert nur noch bei Street View.
Aus die Maus. Die Zoohandlung in Friedrichshain existiert nur noch bei Street View.

© Google Street View

Nur weichen Bedenken mit der Zeit der Nostalgie, und wie die Sorgen von damals verblassen irgendwann auch die Erinnerungen. 2008, da wurde im Pergamonmuseum noch die Ausstellung „Babylon“ gezeigt und die James-Simon-Galerie war nicht mehr als eine Baugrube. Die Mercedes-Benz-Arena hieß noch O2 World und wurde von keiner Mall flankiert. Und die beste Currywurst der Stadt gab es noch bei „Bier’s“ in der Friedrichstraße.

Das alles kann man bei einem Stadtspaziergang im Internet betrachten. Und sich dabei wünschen, dass Berlin manchmal auch so träge wäre wie der Kollege damals beim Parken oder Google mit seinem Update.

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