
© Initiative Schlossaneignung
Humboldt-Forum: Initiative Schlossaneignung fordert anderen Umgang mit der Fassade
Initiative startet Ideenaufruf für eine Kommentierung der Fassade. Historische Spuren sollen sichtbar gemacht werden. Im Aedes Architekturforum wurde diskutiert.
Stand:
Seit vier Jahren ist das Humboldt-Forum nun in Betrieb, die Diskussionen um seine rekonstruierte Schlossfassade gehen weiter. Ob der massive Prachtbau in Berlins historischer Mitte Aufenthaltsqualität in die Umgebung bringt, ist eine Frage. Die andere ist die nach seiner politischen Aussage.
Anstelle des Palastes der Republik, Symbol für die deutsche Teilung, einstiger Repräsentationsbau der DDR, trat eine Erinnerung ans 19. Jahrhundert, an Preußenzeit und Kaiserreich. Zentrale Sachverhalte der deutschen Geschichten würden damit ausgeblendet, sagt die neu gegründete Initiative Schlossaneignung, in der unter anderem der langjährige Wiederaufbau-Kritiker Philipp Oswalt engagiert ist. Oswalt war es auch, der dazu beitrug, Fassaden-Großspender mit rechtsradikaler Gesinnung aufzudecken, was inzwischen dazu führte, dass die Stiftung Humboldt Forum ihre Spendenrichtlinien erneuert hat und anonyme Spenden nicht mehr zulässt.
Zu den Initiatoren der Aneinungsgruppe gehören rund 30 Architektinnen, Historiker, Künstlerinnen und Kulturschaffende. Sie fordern „die idealisierte Preußendarstellung“ durch künstlerische Interventionen aufzubrechen und historische Spuren, wie etwa Bombenschäden aus dem Zweiten Weltkrieg, sichtbar zu machen.
Dafür haben sie einen Ideenaufruf ins Leben gerufen. Dieser wurde am gestrigen Donnerstag initiiert und mit einer Podiumsdiskussion im Aedes Architekturforum in Berlin eingeläutet.
Die Schlossfassade nicht unkommentiert lassen
Neben „permanenten, physischen Formen der Intervention seien auch temporäre, performative und künstlerisch-forschende“ Vorschläge willkommen. Auch Ideen, wie man das Programm im Innern des Hauses beeinflussen könnte, können eingereicht werden. Die Ergebnisse des Ideenaufrufs sollen dann im Oktober im Kunstverein Neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) in Berlin vorgestellt werden.

© Initiative Schlossaneignung
Eine Jury, bestehend aus Kuratorin Julia Grosse, seit kurzem am Gropiusbau beschäftigt, nGbK-Geschäftsführerin Annette Maechtel und Künstlerin Hito Steyerl sollen die eingereichten Ideen auf ihre künstlerische Qualität hin vorsortieren.
Annette Maechtel sagt, der 1969 gegründete nGbK habe sich in der Vergangenheit in politische Debatten zu Stadtentwicklung und Erinnerungspolitik eingemischt, Projekte wie die Topografie des Terrors oder Stolpersteine vorangebracht. Man fühle sich in dieser Tradition auch der Schloss-Debatte verpflichtet. Zumal der aus Kreuzberg vertriebene Kunstverein an der Karl-Liebknecht-Straße ein neues Domizil gefunden hat, also in unmittelbarer Nachbarschaft zum Humboldt-Forum.
Zivilgesellschaft ist aufgerufen
Die Initiative fordert den Bund als Eigentümer und Betreiber des Humboldt-Forums auf, „die mit dem Nachbau der Berliner Schlossfassaden erfolgte Preußenverherrlichung aufzubrechen, die Fassaden des Humboldt Forums weiterzuentwickeln und für andere Perspektiven auf die deutsche Geschichte zu öffnen“. Damit würde auch der Instrumentalisierung des Projektes durch rechtsradikale Kreise der Boden entzogen, die für den „originalgetreuen“ Wiederaufbau geworben und gespendet haben.
Diese Argumente tragen Philipp Oswalt und die Mitstreiter der Initiative Schlossaneignung an diesem Abend noch einmal vor. Auf dem Podium sind unter anderem der Historiker Jürgen Zimmer von der Universität Hamburg, Architektin Elisabeth Broermann von Architects for Future und Anh-Linh Ngo, Chefredakteur der Zeitschrift ARCH+ und neuer Vizepräsident der Akademie der Künste, der ebenfalls fordert „den Bau zu transformieren“ und als „politisches Objekt sprachfähig zu machen“.
Als politische Vertreter waren die Bundestagsabgeordneten Thomas Hacker (Europa- und medienpolitischer Sprecher, FDP) und Awet Tesfaiesus (Obfrau im Ausschuss für Kultur und Medien, Bündnis 90/Die Grünen) eingeladen, die beide im Stiftungsrat der Stiftung Humboldt Forum sitzen. Beide Abgeordnete sprechen sich an diesem Abend für die Kommentierung der Fassade aus.
Für sie als Schwarze Frau, sei das herrschaftliche Haus „eine Wunde“, und viele andere mit familiären Wurzeln in ehemaligen Kolonien setzten erst gar keinen Fuß in das Gebäude, sagt Tesfaiesus. Eingefleischte Schlossfassade-Befürworter, die an diesem Abend eine Gegenrede hätten stellen können, etwa aus der Stiftung Humboldt Forum oder Politiker anderer Fraktionen seien zwar eingeladen gewesen, aber nicht gekommen, so Oswalt.
„Schrein des Antidemokratischen“
Unmissverständlich in seinem Urteil ist der Historiker und Afrikawissenschaftler Jürgen Zimmer. Eine unpolitische Rekonstruktion historischer Gebäude gäbe es nicht, sagt er in seinem kurzen Statement, jede bauliche Rekonstruktion sei ein identitätspolitischer Akt. Den Humboldt-Forum-Bau bezeichnet er als „preußisches Disneyland“.
Die Spuren der deutschen Gewaltgeschichte seien durch die Rekonstruktion der Barockfassade ausgelöscht worden, man beziehe sich auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und knüpfe an eine vermeintliche heile Welt an. Man idealisiere das Preußentum, verleugne dessen Anteil an der deutschen Katastrophe. Die gebaute Hülle sei ein „Symbol der Ungleichheit und des Antidemokratischen“.
Im Innern des Humboldt-Forums wird versucht, sowohl an den Palast der Republik als auch an die deutsche Kolonialgeschichte zu erinnern. Die gewaltvollen Sammlungsgeschichten des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst werden thematisiert, die Eigentumsrechte der Benin-Bronzen wurden rückübertragen, man will Weltoffenheit zeigen – all das ist schwer, mit der Preußenfassade im Rücken.
Manche Anwesende an diesem Abend finden die Architektur einfach „hässlich“, außen wie innen, und fragen sich, warum man sie überhaupt kommentieren soll. Wieder andere meiden den Bau. Boykott oder Aneignung? Was ist der richtige Umgang mit einem Gebäude, das vielen aus unterschiedlichen Gründen als Fremdkörper erscheint? Und das, wo es doch einst als identitätsstiftendes Symbol für Deutschland geplant war.
Der Ideenwettbewerb ist bis 15. September geöffnet. Die Initiative Schlossaneignung hat eine Petition im Bundestag eingereicht, um die künstlerischen, baulichen Eingriffe an der Fassade nicht nur bei der Idee zu belassen. Auch den rechtsradikalen Spendern will man weiter nachgehen, und fordert zusätzlich die temporäre Sichtbarmachung der mit diesen Spenden finanzierten Bauteile.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: