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Tim Fischer, bildschön und verführerisch als Zara Leander.

© Tine Acke

„Ich bin die Leander – Zarah auf Probe“: Tim Fischer im Renaissance-Theater

Seine Bühnenpräsenz erklärt, warum Tim Fischer Kult-Status genießt. Bei der Berlin-Premiere des Stücks über den UFA-Star Zarah Leander überzeugt er mehr mit seiner Stimme als durch die Dramaturgie.

Tim Fischer in Berlin und der Saal ist voll. Das aufgeregte Geraune verstummt schlagartig, als er die Bühne im Renaissance-Theater betritt. Heute Abend ist Tim Fischer eine ansehnliche Frau in Pelzmantel und mit roter Kurzhaarfrisur. Keck und sinnlich spitzt er die knallroten Lippen und lässt den Blick durch die Zuschauerreihen schweifen, bevor er ans Mikrofon tritt.

In der Musiktheaterproduktion „Ich bin die Leander – Zarah auf Probe“ malen sich Tim Fischer und Kabarettist Ulrich Heissig eine Probe des UFA-Stars Zarah Leander im Jahr 1948 aus, kurz vor ihrem großen Comeback. Nach Kriegsende mied die Unterhaltungsindustrie in Deutschland und in ihrem Heimatland Schweden die berühmte Sängerin und Schauspielerin. Der Grund war ihre vorhergehende blühende Karriere unter den Nationalsozialisten.

Kecke Schulterblicke

Tim Fischer bringt die Berlin-Premiere im Alleingang fantastisch über die Bühne. Er geht in der Rolle der voluptuösen Ikone vollends auf, weiß um die Macht ihrer körperlichen Reize und spielt damit. Ein langer Applaus nach jedem Song, er richtet sein Haar, wirft einen kurzen, charmantern Schulterblick Richtung Klavierspieler und weiter geht es: „Davon geht die Welt nicht unter, sieht man sie manchmal auch grau, einmal wird sie wieder bunter...“

Tim Fischer in Aktion
Tim Fischer in Aktion

© Kerstin Schomburg

Die Bühne gehört ihm und nur ihm. Wie eine Diva nimmt er sich den ganzen Raum und das Publikum überlässt ihn ihm gern. Tim Fischer überzeugt mit theatralischen und doch authentischen Allüren einer Zarah Leander und seiner kraft- und gefühlvollen Stimme. Der Mann kann singen, keine Frage –, doch das Stück lässt kritische Töne vermissen, die ein deutsches Kabarettstück über die Schuldfrage doch auch haben müsste.

Die NS-Zeit wird nur mit Fingerspitzen berührt

Das Stück ist mehr eine Hommage an Leander als eine kritische Darbietung ihrer problematischen Person. Fischer hat die Möglichkeit verspielt, die Nazi-Verbindung der Sängerin auch als Projektionsfläche für den hölzernen Umgang der deutschen Gesellschaft mit der Schuld- und Aufarbeitungsfrage zu nutzen.

Die NS-Zeit wird hier nur aus sicherer Entfernung mit komödiantischem Fingerspitzengefühl berührt. Man ist schließlich in Deutschland, also bloß nicht zu tief rein, immer schön trivialisieren durch „Braun ist aus der Mode gekommen“-Scherze.

Es braucht einen kritischen Blick. Dass dieser an dem Abend fehlt, zeigt das schallende Gelächter bei plumpen Witzen über Hitlers Haare und Goebbels Erscheinung als „klumpfüßiger Schwerenöter“. Die Standing Ovations am Ende dürfen durchaus dem Gesang und Schauspiel gelten. Dem Inhalt und Humor eher weniger.

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