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Facharbeiterin Suzie (Marlene Burow) wird auf der Straße gecastet.

© Foto: Tobis

„In einem Land, das es nicht mehr gibt“ im Kino: Glamourös in den Untergang

Aelrun Goettes autobiografische Komödie „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ nähert sich unserem DDR-Geschichtsbild über die Modewelt. Das gelingt nur teilweise.

Die DDR ist heute ein Wald, ein Feld, ein Ostseestrand. Filme, die in der DDR spielen wollen, stehen vor sanierten Altbaufassaden, zugebauten Brachen und viel zu grünen Neubaugebieten und damit vor einem Problem. Wie soll es nach damals aussehen, wenn dieses Damals generalüberholt ist? Deshalb hat die zeitlose Natur auch in dem Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ von der Regisseurin und Autorin Aelrun Goette, der im Frühjahr 1989 in Ost-Berlin spielt, große Auftritte. Die Kamera kann in Weite schwelgen, denn was aus dem Heute stört, sind nur zu gut gepflegte Autos.

Bilder von der DDR, die die westdeutsche Wahrnehmung prägen

Es geht Goettes Film um Bilder, vor allem um eins – das Bild von der DDR, das die westdeutsche Wahrnehmung prägt. Gegen das in diesem Bewusstsein dominante Grau, stellt der Film die Sehnsucht einer Subkultur nach Individualität, die nicht im Laden gekauft werden kann, sondern selbst gebastelt werden muss; und die Eleganz der Modewelt, die um die Zeitschrift „Sibylle“ organisiert war. Goette hat sich als junge Frau in diesen Mikrokosmen bewegt.

Dementsprechend ist „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ ein Herzensprojekt, was man dem Film in jedem Moment anmerkt – an der Freude es anders, nämlich schön zu machen; an dem Stolz, beweisen zu können, dass es vitaler und selbstbestimmter war, als der Westen in seinem „Unrechtsstaat“-Gebuhe eh nicht wissen will.

Es gibt viele Sätze in dem Film, die als Codes der eigenen Rückversicherung verstanden werden können. Das paternalistisch-bedrohliche „Na, was haben wir falsch gemacht“, mit dem die Volkspolizisten Suzie (Marlene Burow) am S-Bahnhof verhaften wegen eines „Schwerter zu Pflugscharen“-Aufnähers. Eine junge Frau, die wie Goette in die verlockende Welt der anderen DDR Eintritt findet, aber erstmal „Zerspanungsfacharbeiterin“ lernen muss.

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Suzie wird vom Fotografen Kojote (David Schütter) in einer Straßenbahn fotografiert, um schließlich in der „Sibylle“-Chefredaktion zu landen, die Claudia Michelsen im schwarzen Dorothea-Melis-Gedächtnislook führt. Und beim Blattmachen Sachen sagt wie: „Wir sind doch hier nicht bei der Brigitte.“ Ein Satz, der Selbstbewusstsein performen soll, aus dem aber auch die Defensive, wenn nicht der Minderwertigkeitskomplex spricht, aus dem „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ erzählt – seiner spürbaren und schönen Sentimentalität zum Trotz.

Goette beschwört die eigene Erinnerung, aber sie findet keine Erzählung, die dieses tiefe Gefühl adäquat abbilden könnte. Vielleicht wäre das Projekt als Kunst-Installation von lauter verschwundenen Räumen besser gelungen, weil die narrative Leere des Films dann nicht so deutlich vor Augen getreten wäre.

Spätestens wenn die Mannequins bei der Leipziger Messe ihre Schau präsentieren, verfällt „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ in eine hölzerne Konvention, die von viel zu vielen anderen Filmen über die DDR nicht mehr zu unterscheiden ist.

„Sibylle“-Chefredakteurin Elsa (Claudia Michelsen) und der Stylist Rudi (Sabin Tambrea).
„Sibylle“-Chefredakteurin Elsa (Claudia Michelsen) und der Stylist Rudi (Sabin Tambrea).

© Foto: Tobis

Als Konflikt soll ein Rumgezicke zwischen der neuen Suzie und der arrivierten Uta (Sira Topic) herhalten. Und mit Hans Klima tritt ein Horst Sindermann zur Begutachtung auf, der dem realen Volkskammerpräsidenten unähnlich ist und deshalb möglichst wenig sagt. Ein plumpes Abziehbild von Macht, das so auch in weit weniger informierten Filmen über die krustig-selbstgewisse Jovialität von SED-Kadern herumsitzen könnte.

Der Film versucht zwar, gegen die Armut der Produktionsmittel mit relativer personaler Fülle anzukämpfen, was im VEB, in dem Suzie arbeiten muss, mitunter gelingt – auch weil Jördis Triebel es dort schafft, die wackere Brigadeleiterin mit einem eigenen Ausdruck auszustatten. An solchem Spiel und solchen Figuren herrscht aber Mangel.

Entweder du bist frei, dann bist du’s überall, oder du bist es nicht, dann nützt dir auch der Westen nichts.

Aus „In einem Land, das es nicht mehr gibt“

Als Finale dient hier die Modenschau des subkulturellen Labels „Glamourös, betörend, auserlesen“ um den Stylisten Rudi (Sabin Tambrea). Das spielt an auf die reale Gruppe „Chic, charmant & dauerhaft“, der Marco Wilms 2009 den Dokumentarfilm „Ein Traum in Erdbeerfolie“ gewidmet hatte. Und ist eine bewusste Setzung: Nicht die Maueröffnung erlöst den Film von seiner DDR-Geschichte, sondern die Szeneparty. Leider nur wirkt die inszenierte Euphorie genauso ungerichtet und aufgesetzt wie in den anderen Filmen der Maueröffnungsjubel.

(In 19 Berliner Kinos)

„Entweder du bist frei, dann bist du’s überall, oder du bist es nicht, dann nützt dir auch der Westen nichts“, ist einer der vielen Sätze in Goettes Film, mit denen eine spezifische Unangepasstheit aufgerufen werden soll, die so nur gegen ein repressives Regime gewonnen werden konnte.

Was davon geblieben ist, zeigt der Abspann. In dem danken Regisseurin und Produzentin nämlich eigens noch mal den Namen aus der Filmförderbürokratie, die durch prominente Credits eh schon gewürdigt werden. Verwaltern von öffentlichem Geld, die zumeist durch wenig glamouröse Karrieren in hierarchischen Apparaten zu der Macht gekommen sind, der hier geschmeichelt werden muss. So wacht die Erinnerung an die selbstbestimmte Lässigkeit, die es in der DDR auch gegeben hat, nach 100 Minuten verkatert im tristen Teil der westdeutschen Wirklichkeit auf.

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