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Kultur: Kein Durchblick.Nirgends

Waren die Maler wirklich die ersten in der DDR, die den Schmalfilm für sich entdeckten? Im Land ohne Videorecorder filmten viele Familien den Urlaub, den Nachwuchs, den sozialistischen Alltag.

Waren die Maler wirklich die ersten in der DDR, die den Schmalfilm für sich entdeckten? Im Land ohne Videorecorder filmten viele Familien den Urlaub, den Nachwuchs, den sozialistischen Alltag.Mit dem aber hatten Künstler wie A.R.Penck, Lutz Dammbeck oder Volker Lewandowsky wenig am Hut.Sie gaben ab den späten Siebzigern dem Medium einen neuen Sinn.Bot doch "Super 8" Gelegenheit, die eigene Ausdrucksskala zu erweitern, die dröge, administrative Kulturbürokratie zu unterlaufen.

Die Ergebnisse so unterschiedlich, wie die Maler selbst.Aus dem Bestand des Experimentalfilmarchivs zeigt das Kino in der Brotfabrik fünf Filme, die, wenn auch ungewollt, heute ein schönes Zeitdokument abgeben.Der künstlerische Aspekt gerät rückblickend eben leicht ins Hintertreffen.So gleicht "Terror in Dresden" (1978) von A.R.Penck und Detlef Opitz eher einem Tagebuch denn einem Künstlerfilm.Man sieht in wackligen Sequenzen junge Männer mit langen Haaren und Bärten.Weil es windig ist, flattern die Zotteln wild.Überhaupt scheint dank einer steifen Brise alles in Bewegung.Schnelle Schnitte verstärken die Unstetigkeit.Im Land der festgefahrenen Regeln und Rituale ein (politischer) Wink mit dem Zaunpfahl.

Ganz anders die Intention von Lutz Dammbeck.In seinem Film "Hommage ß La Sarraz" (1981) zeigt sich Lutz Demmbeck desillusioniert von seiner Heimat.Er montierte O-Töne aus Nazi-Wochenschauen mit Rock- und Klaviermusik, und zeigt dazu das Völkerschlachtdenkmal, die Friedensfahrt, ein Fenster.Letzteres wird mit Pinsel geschwärzt, kein Durchblick nirgends.Doch schon flattert Ikarus gen Himmel.Die Sonne aber entwickelt sich aus schwarzen Strichen zu einem bedrohlichen Knäuel.Die Dramaturgie wird immer schneller.Sequenzen von westlichen Demos und Schnitt: Wiesen, Bäume, Idylle.Doch die Ruhe trügt.

Ähnlich düster beginnt auch Helge Leibergs Streifen "Ferne Gegenden" (1984).Er zeichnete Gesichter, die richtig böse blicken.Der Hintergrund aber ist hell und leuchtet in Pastellfarben.Doch schnell wird es wieder dunkel, zwei Menschen scheinen zu kämpfen, dann verlaufen nur noch Farben immer wieder ineinander.Auf die Dauer etwas langweilig, denkt man bald.Aber dann ist der kleine Film auch schon vorbei.Langeweile kommt dagegen bei Volker Lewandowsky und Yana Milev gar nicht auf.Ihr "doublage fantastique" (1988) wirkt so heutig, als säße man nicht im Kino, sondern schaute MTV.Da wird mit Farben, Formen, Körpern und Vergehen auf gleich zwei Sichtebenen gewirbelt, daß einem die Sinne schwinden.Egal, ob man die Filme als simple Zeitdokumente oder als künstlerischen Gegenentwurf zum sozialistischen Einheitsbrei sieht: Erstaunlich genug ist, daß alle Streifen im einzigen staatlichen Kopierwerk in Berlin-Johannesthal entwickelt werden mußten und trotzdem (wenn auch nicht alle) in die Hände der Maler zurückkehrten.

Malerfilme aus Ostdeutschland, DDR 1978-89, Kino in der Brotfabrik, 25.bis 31.März, jeweils 20 Uhr

ANDREAS HERGETH

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