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Putin war schuld. Die Reporterin Nina (Beata Fido) recherchiert im Film "Smolensk" den Flugzeugabsturz von 2010 im Sinne der neurechten Verschwörungstheorie.

© Kino Swiat

"Smolensk"-Blamage in Berlin: Kein Kino für den polnischen Botschafter

"Smolensk" gilt als erster Propagandafilm der rechtsnationalen PiS-Regierung in Polen. Für die Premiere in Berlin findet der Botschafter kein Kino. Alle haben "Sicherheitsbedenken".

Wahrscheinlich hatte sich der neue polnische Botschafter Andrzej Przyłębski den Berliner Galaabend so ähnlich vorgestellt wie die Veranstaltung im September in der Warschauer Oper: Hunderte geladener Würdenträger aus regierungsnaher Politik und Kultur, dazu eine Phalanx berichterstattungsbereiter und ideologisch verlässlicher Journalisten. Und Vorhang auf für „Smolensk“ von Antoni Krauze, den ersten lupenreinen Propagandafilm des von der Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) dirigierten neurechten Polen.

Daraus wird nun nichts. Nachdem das Delphi-Kino vor einer Woche seine ursprüngliche Vermietungszusage für Montag, den 7. November, zurückgezogen hatte und das vor wenigen Tagen als Ausweichort proklamierte Cubix am Alexanderplatz ebenfalls nicht zur Verfügung stand, fand sich für „Smolensk“ kein weiteres Haus in der keineswegs kinoarmen Stadt. Abgesagt hatten sowohl das Delphi als auch das Cubix den Termin wegen „Sicherheitsbedenken“. Tatsächlich vertritt der kontroverse Film gegen alle Fakten nahezu unverblümt die polnische Regierungsthese, die im April 2010 bei Smolensk abgestürzte Präsidentenmaschine mit 96 Insassen an Bord sei Ziel eines von Wladimir Putin gesteuerten Anschlags gewesen – und nicht, wie durch die Auswertung des Flugschreibers belegt, Folge massiven Drucks im Cockpit anwesender Militärs und Regierungsvertreter, das Flugzeug trotz dichtesten Nebels zu landen.

Auch Cinemaxx und Cinestar sagen kategorisch ab - für alle ihre Kinos in Deutschland

Die Trauer des heutigen PiS-Chefs Jarosław Kaczynski über den Tod seines Zwillingsbruders Lech, damals Präsident Polens, gilt mittlerweile als höchst sonderbare Staatsräson. Nicht die bewiesene Fahrlässigkeit mächtiger Passagiere habe die Katastrophe verursacht; stattdessen wird eine regelrechte Verschwörungstheorie in die Hirne polnischer Mediennutzer und, seit dem September-Start von „Smolensk“, auch der Kinogänger eingeschrieben. Dass deutsche Kinomacher sich als Gastgeber solcher Grusel-Galas kategorisch verweigern, ist da nur zu verständlich. Große Kinoketten wie die bundesweit operierenden Cinestar und Cinemaxx, aber auch repräsentative Einzelhäuser wie die Berliner Urania haben, so äußerten sie gegenüber dem Tagesspiegel, unterdessen definitiv ausgeschlossen, diesen Film überhaupt zu zeigen - wann auch immer.

Späterer Termin unter Polizeischutz?

Die polnische Botschaft gibt ihrerseits nicht auf. Sie avisiert offenbar einen neuen Berliner Anlauf in einigen Wochen und will nun, im Blick auf die angeführten Sicherheitsbedenken der Kinos, „hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der empfangenen Signale geeignete Schritte in die Wege leiten“, heißt es in einer kryptischen, am Freitagabend verbreiteten Erklärung. Was könnte damit gemeint sein? Womöglich vor allem die Forderung nach massiver Polizeipräsenz, sollten sich nicht nur geladene "Smolensk"-Gäste - rund 300 hatten zu dem ursprünglichen Termin zugesagt -, sondern auch protestierende Demonstranten am roten Teppich einfinden.

Neuling in der Branche. Der Philosophieprofessor Andrzej Przyłębski ist seit Juli Botschafter Polens in Deutschland - hier mit Vizeaußenministerin Katarzyna Kacperczyk bei der Amtseinführung.
Neuling in der Branche. Der Philosophieprofessor Andrzej Przyłębski ist seit Juli Botschafter Polens in Deutschland - hier mit Vizeaußenministerin Katarzyna Kacperczyk bei der Amtseinführung.

© MFA Press Office

Derlei martialische Verteidigungsstrategien würden zum Bild passen, das der vom PiS-gesteuerten Außenministerium bestellte Botschafter, als Philosophieprofessor ein Neuling in der Branche, seit seinem Dienstantritt im Juli abgibt. Unlängst fuhr Przyłębski dem deutschen Verfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle in die Parade, der die europaweit kritisierte, weitgehende Entmachtung des polnischen Verfassungsgerichts durch die PiS-Regierung vergleichsweise diplomatisch als „Irrweg für Europa und damit auch für Polen“ bezeichnet hatte. Und anlässlich der zur „Smolensk“-Absage genannten Bedenken bemerkte er, für die Usancen seines Jobs verblüffend grob formulierend, es werde sich an so einem Abend doch nicht gleich jemand im Kino „in die Luft sprengen“.

Kulturpolitik "mit dem Kampfwagen"

So ist das in den polnischen Medien höchst aufmerksam verfolgte Berliner „Smolensk“-Debakel zu einer veritablen Blamage für den polnischen Botschafter geworden – und angesichts des programmatisch propagandistischen Themas folglich auch für die derzeitigen polnischen Machthaber. Wie prophetisch und weise hatte sich dagegen Paweł Potoroczyn geäußert, der unlängst ohne Angabe von Gründen gefeuerte renommierte Direktor des Adam-Mickiewicz-Instituts, der Zentralstelle für die auswärtige Kulturpolitik Polens? „Jeder, der sich auf internationaler Ebene in einem Kampfwagen bewegt", schrieb er in seiner via Facebook verbreiteten Abschiedsnotiz, "wird vor verschlossenen Türen stehen.“

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