
© AFP/Yuki Iwamura
Kendrick Lamar und sein Überraschungsalbum „GNX“: Wenn der König durch L.A. rollt
Ohne Ankündigung veröffentlicht der Rapper sein sechstes Album. Es bestätigt seine diesjährige Bestform, die sich schon im Streit mit Drake gezeigt hatte.
Stand:
Wer hat die große Rap-Fehde des Jahres gewonnen? Vieles spricht für Kendrick Lamar, denn sein gegen Drake gerichteter Song „Not Like Us“ ist ein Hit geworden, kam auf Platz eins der Billboard Charts. Auf Youtube wurde das dazugehörige Video 117 Millionen Mal angesehen, Drakes Antwort-Track „The Heart Part 6“ kam lediglich auf 24 Millionen. Auch die anderen Diss-Tracks des Kanadiers gegen den Kalifornier hinterließen abseits des Battles keinerlei bleibende Spuren.
Dafür, dass Lamar als Sieger vom Platz geht, sprechen aber auch noch weitere Argumente: Kürzlich wurde er als Hauptact für die Halbzeitshow des Super Bowls engagiert, weltweit einer der prestigeträchtigsten Auftrittsorte überhaupt. Zudem hat er soeben mit „GNX“ ein richtig gutes Album veröffentlicht. Lediglich durch ein einminütiges Video wenige Stunden zuvor angekündigt, setzt es einen Punkt unter den Kleinkrieg mit Drake. Keiner der Diss-Songs – nicht mal „Not Like Us“ – findet sich auf Kendrick Lamars sechstem Studioalbum, der Beef hallt nur in wenigen Zeilen nach.
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Nicht einmal der Songtitel „Heart Pt. 6“ kann wirklich als Seitenhieb verstanden werden, denn Lamars biografische „The Heart“-Song-Serie läuft schon seit 2010. Er holt sich den Namen also einfach nur zurück – und beschreibt in dem entspannten Old-School-Stück seine frühen Karrieretage: Wie er mit Kumpel Jay Rock im Studio rappte und wie hart es war, als sein Freund D-Man starb.
Und dann hat er noch einen Rat an junge Kollgen parat: „To all my young niggas, let me be the demonstration/ How to conduct differences with a healthy conversation/ If that’s your family, then handle it as such/ Don’t let the socials gas you up or let emotions be your crutch“. Bei Konflikten mit nahestehenden Menschen hilft das direkte Gespräch statt Sozial-Media-Hickhack, auch mal das Telefon benutzen, empfiehlt Lamar in einer der folgenden Zeilen.
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Das hat schon fast etwas Altväterliches, was gut zum mitunter nostalgischen Ton des Albums passt. Der zeigt sich etwa, wenn Lamar in „Dodger Blue“ seine Heimatstadt Los Angeles preist oder in „Luther“ zusammen mit SZA den großen Soulsänger Luther Vandross würdigt, dessen „If This World Were Mine“ darin gesampelt wird. Das sanfte Duett, bei dem Lamar vor allem singt, gehört zu den Höhepunkten der Platte, zu deren Produzenten-Team Jack Antonoff gehört.
Vor allem für seine Arbeit mit Taylor Swift und Lana del Rey bekannt, erscheint er auf den ersten Blick eine seltsame Wahl, doch hatte Antonoff bereits in der Drake-Fehde mit Kendrick Lamar gearbeitet und erweist sich auch auf „GNX“ als Glücksgriff. Denn in den konzentrierten zwölf Tracks kommen alle Stärken des Grammy- und Pulitzer-Preis-Trägers wieder gut zur Geltung – anders als in dem überlangen und konzeptionell überladenen Vorgänger „Mr. Morale & The Big Steppers“ von 2022, der einer Therapiesession glich.
Mit dem aufgekratzten Trap-Stück „TV Off“ und dem reduzierten „Hey Now“ schließt Lamar bei „Not Like Us“ an, dessen Produzent Mustard an beiden Sücken beteiligt war. Es lässt sich aber auch ein Bogen zum Erfolgsalbum „Damn“ schlagen, wirkt Lamar doch wieder deutlich zugänglicher und gleichzeitig bei sich.
Auf diese Selbstbesinnung verweisen schon der Albumtitel und das Schwarz-Weiß-Cover, das den Rapper vor einem Buick GNX zeigt. Der limitierte Wagen kam in Lamars Geburtsjahr 1987 heraus. In einem Song erwähnt er, dass ein solcher Buick alles gewesen sei, was er jemals wollte. Der Wunsch ging in Erfüllung und im Titelsong feiert sich Lamar nun selbst als modernen Klassiker – begleitet von jungen kalifornischen Rappern wie Peysoh, YoungThreat und Hitta J3.
Eine Schlüsselstellung auf „GNX“ nimmt „Reincarned“ in der Mitte der Platte ein: Basierend auf einem Sample aus Tupac Shakurs „Made Niggaz“ beschreibt Lamar sich als vorläufigen Abschluss einer eindrucksvollen Folge von Wiedergeburten, in der er mal als Blues-Gitarrist, mal als drogenabhängige Sängerin (Billie Holiday könnte gemeint sein) auftritt, bis er in der Gegenwart ankommt: „My present life is Kendrick Lamar/ A rapper looking at the lyrics to keep you in awe/ The only factor I respected was raisin’ the bar“.
In der folgenden Selbstbeschreibung scheinen wie so häufig bei ihm Zweifel und Selbstkritik auf, auch Bibelreferenzen dürfen nicht fehlen. „I vow my life just to live one in harmony now“, lautet der finale Schwur.
Dass es in naher Zukunft zu diesem harmonischen Leben kommt, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Dafür dürfte schon die aktuelle Kontroverse um Kendrick Lamars Super Bowl-Engagement sorgen: Weil das NFL-Finale in New Orleans stattfindet, hatte sich der von dort stammende Rapper Lil Wayne, unterstützt von diversen Kolleg*innen enttäuscht gezeigt, dass nicht er für den Auftritt im kommenden Jahr eingeladen wurde.
Kendrick Lamar geht im „GNX“-Eröffnungssong „Wacced Out Murals“ darauf ein, betont seine Bewunderung für den Konkurrenten und lässt mit der Zeile „Irony, I think my hard work let Lil Wayne down“ Bedauern erkennen. Genauso schnell ist er in diesem mit mächtiger Basspower ausgestatteten Fünfminüter jedoch schon wieder ganz woanders.
Mehr Aufmerksamkeit lenkt Lamar ohnehin auf eine andere Künstlerin: Die ersten Zeilen auf „GNX“ gehören der Mariachi-Sängerin Deyra Barrera, die er bei einem Baseballspiel singen gehört hatte und deren Stimme noch zwei weitere Male auf dem Album zu hören ist.
Es sind schöne emotionale Akzente, mit denen Lamar einen Gruß an die lateinamerikanische Community von Los Angeles sendet. Denn das facetten- und anspielungsreiche „GNX“ ist nicht zuletzt ein Liebesbrief an seine Heimatstadt – und die spricht zu großen Teilen Spanisch.
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