
© Nur zur Vorankündigung, honorarfrei bei Copyrightnennung/JAN_WINDSZUS
Klassik-Konzerte Ende November in Berlin: Alan Gilbert und Strauss’ radikalste Oper
Strauss’ „Salome“, ein brillantes Cellokonzert und eine sinfonische Reise. Hier unsere Tipps der Woche für Klassik in Berlin.
Stand:
Diejenigen, die Oper in ihrer explosivsten Form lieben, haben diese Woche einen Grund zur Freude: Evgeny Titov inszeniert Strauss’ „Skandaloper“ Salome an der Komischen Oper und lotet dabei sämtliche Spielarten der Lust, des Begehrens und des Wahnsinns aus.
Außerdem? Die Cellistin Alisa Weilerstein spielt mit der Staatskapelle unter Alan Gilbert Britten und Bartholdy. Das Orchester der Komischen Oper lädt zu einer sinfonischen Heldensagen-Reise ein und Ben Goldschneider lässt die Töne seines Horns mit Elektronik-Sounds verschmelzen.
1 Salome von Richard Strauss

© Nur zur Vorankündigung, honorarfrei bei Copyrightnennung/JAN_WINDSZUS
Eine der radikalsten Opern des gesamten Repertoires ist „Salome“ von Richard Strauss. Davon ist jedenfalls Evgeny Titov überzeugt, der das biblisch verkleidete Drama um Lust und Begehren, Enttäuschung und Erfüllung an der Komischen Oper inszeniert: „Man muss sehr weit gehen, um diesen Kosmos abzuschreiten“, sagt er.
„Es gibt Opern, in denen es vor allem um die Handlung an der Oberfläche geht. ,Salome’ ist anders. Darin geht es um die Momentaufnahme eines Zustands und um die darauffolgende Explosion.“
Diese Explosion wird ausgelöst, weil Salome den bleichen, zotteligen Jochanaan besitzen will, der sich aber verweigert. Schließlich fordert sie die Enthauptung des Mannes, damit sie endlich seinen Mund küssen kann. Ob er tot ist oder lebt, ist Salome dabei vollkommen egal.
Ein typisches Sujet des Fin de Siècle und der Dekadenzliteratur, das Oscar Wilde im Jahr 1893 auf Französisch veröffentlichte und das Richard Strauss 1905 auf Deutsch vertonte.
Die Mischung von Bibelstoff und Sexualität sorgte umgehend für einen riesigen Skandal, der auch die Oper bei der Dresdner Uraufführung betraf, weil die Lüsternheit von Stoff und Musik bis dahin tatsächlich unerhört war.
Aber will Salome überhaupt Sex mit Jochanaan? Für Evgeny Titov ist das nicht die entscheidende Frage: „Ich würde sagen, sie ist glücklich am Ende. Dabei ist unbedeutend, ob sie vorher Sex mit ihm haben wollte oder nicht. Sie will Jochanaan. Und sie bekommt ihn. Man kann lange diskutieren, ob sie wirklich glücklich ist, aber es gibt die Musik, die ist in der Oper das Wichtigste und in diesem Fall ist sie eindeutig.“ (uf)
2 Metzmacher & Bullock

© Allison Michael Orenstein
Mit ihrer Musik kämpfte Margaret Bonds (1913-1972) zeitlebens für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner in den USA. Eine Schwarze Komponistin war nicht vorgesehen, als sie 1929 ein Studium an der Northwestern University begann.
Ingo Metzmacher bringt beim Besuch bei „seinem“ DSO zwei ihrer Stücke zur Aufführung, in denen Bonds Gedichte von Langston Hughes vertonte. Es singt die Sopranistin Julia Bullock.
Metzmacher stellt dem an diesem amerikanischen Abend drei Werke von George Gershwin gegenüber. Darunter „Summertime“ aus „Porgy and Bess“. Charles Ives’ „A Symphony: New England Holidays“ (1954) zum Abschluss ist mehr eine Suite.
In den vier unabhängigen Stücken zitiert er aus Hymnen und patriotischen Liedern. Dieses Werk der amerikanischen Moderne ist am Tag zuvor (Freitag) bereits im Casual Concert zu hören, mit anschließender Lounge, Live Act und DJ. (wei)
3 Gilbert & Weilerstein

© Marco Borggeve
Zur Genesung wünschte sich der russische Cellist Mstislav Rostropowitsch von Benjamin Britten ein „brillantes Cellokonzert“. Und der lieferte.
Das Werk wurde so groß, dass er es „Symphony for Cello and Orchestra“ nannte. Solist und Orchester sind hier eng verzahnt.
Die Uraufführung im März 1964 in Moskau dirigierte Britten selbst, Solist war Rostropowitsch. Die Staatskapelle unter Alan Gilbert spielt sie mit Alisa Weilerstein am Cello.
Es folgt Mendelssohn Bartholdys von einer Reise inspirierte „Schottische Symphonie“. (wei)
4 Ben Goldschneider

© kaupo kikkas
Schon vor tausenden von Jahren haben Menschen auf Tierhörnern geblasen. Der britische Hornist und Absolvent der Barenboim-Said Akademie, Ben Goldscheider, bringt sein Instrument nun mit Live-Elektronik von Philip Dawson zusammen.
Das Horn und die Elektronik verschmelzen live zu einem Kaleidoskop aus Sounds. Inspiriert hat Goldscheider das Werk „Fanantsie for Horns II“ der deutsch-kanadischen Klangkünstlerin Hildegard Westerkamp.
Das Stück, in dem sie das klassische Instrument mit Hörner-Sounds aus dem Alltag oder der Natur zusammenbringt, ist ebenfalls zu hören. (wei)
5 60 Jahre Berliner Cappella

© IMAGO/Ernst Henriksson / Sydsvenskan / IBL Bildbyrå
„Meine Messe wurde teilweise durch einige Messen von Mozart angeregt, die ich 1942 oder 1943 in einem Second-Hand-Laden in Los Angeles fand. Als ich diese rokokoopernartigen Süßigkeiten der Sünde durchspielte, wusste ich, dass ich eine eigene Messe schreiben musste, aber eine echte“, so Strawinsky (Foto) in einem Brief.
Die abenteuerlustige Chorgemeinschaft Berliner Cappella feiert ihren 60. Geburtstag mit Strawinskys reduzierter Messe, die am Ende seiner klassizistischen Phase in eine neue Zeit weist und Mozarts c-Moll-Messe, möglicherweise eine Huldigung an seine frisch angetraute Constanze. (ipa)
6 Synphonische Reisen

© Jan Windszus Photography
Drei sinfonischen Dichtungen widmet sich das Orchester der Komischen Oper unter James Gaffigan. Heldenträume, ist das Programm überschrieben.
Einer, der davon träumte, war Don Quijote. Miguel de Cervantes’ tragikomischer Held. Richard Strauss arbeitet sechs Jahre an der Vertonung, bis das Stück 1898 Uraufführung hatte.
Seine „Phantastischen Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters“, sorgten zunächst für Irritationen beim Publikum mit ihrem Kontrast von Humor, Pathos und Naturalismus.
Solisten sind Johanna Kubina (Viola) und Felix Nickel (Cello). Sie symbolisieren Sancho Panza und den Don Quijote. Der „träumende Faun“ in Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune ist inspiriert von einem Gedicht von Stéphane Mallarmé (1876).
Das Werk gilt als erste Komposition der Moderne. Ottorino Respighis Pini di Roma (1924) führt schließlich bildhaft zu vier Orten in Rom, der ewigen Stadt mit heldenhafter Geschichte. (ipa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: