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Die große Schönheit, die niemand anschaut: Die Brücke zur Engelsburg in Rom ist an diesem Mittwoch menschenleer.

© Filippo Monteforte/AFP

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 11): Opernfans auf Reisen

Kinofans besuchen gerne die Drehorte ihrer Lieblingsfilme. Opernbegeisterte reisen eher Stars hinterher. Dabei kann es auch spannend sein, die Locations der Musiktheaterwerke zu erkunden.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Aufgefallen ist es mir erst, als wir abends beim Ramazzotti saßen. Da war ich doch tatsächlich am Originalschauplatz einer berühmten Oper gewesen! In Portici nämlich, das einst ein Fischerort war, und heute zum Vorort-Gürtel Neapels gehört.

Nach dem Besuch der fantastischen Ausgrabungen des antiken Herculaneum waren wir noch zur Reggia di Portici gefahren. In dem Sommersitz der neapolitanischen Könige ist gerade eine Ausstellung zu sehen mit erhaltenen Holzmöbeln aus der 79 nach Christus beim Vesuv-Ausbruch verschütteten Stadt.

Auf den Spuren von Puccinis „Tosca“ durch Rom

Hierher stammt die „Muette de Portici“, die stumme Hauptdarstellerin aus Daniel-Francois-Esprit Aubers 1828 uraufgeführter Grand Opéra. Das Werk erzählt von einem Volksaufstand im 17. Jahrhundert und wurde ein europäischer Megaerfolg. Allein in Berlin ging die „Muette“ 285 Mal über die Bühne der Hofoper, in Belgien löste sie gar eine Revolution gegen die niederländischen Besetzer aus.

Für Kinofans ist es eine beliebte Freizeitbeschäftigung, die Schauplätze aufzusuchen, an denen ihre Lieblingsfilme gedreht wurden. Opern-Aficionados reisen dagegen eher bestimmten Stars hinterher – was verständlich ist, weil sie ihre Idole ja immer wieder live erleben können. Anhängern der Reproduktionskunst Kino bleibt das nur das Location-Spotting.

Bei kaum einer Oper ist es allerdings so leicht, genau dorthin zu gelangen, wo die Handlung spielt, wie bei Puccinis „Tosca“, deren drei Akte alle in Rom spielen, an Orten, die heute noch so aussehen wie vor gut 120 Jahren, als die Partitur entstand.

Der Komponist war in jeder Hinsicht ein Detailfanatiker. Der 3. Akt beginnt im Morgengrauen auf der Engelsburg. Um die Atmosphäre perfekt einfangen zu können, stand er mitten in der Nacht auf, begab sich zur Festung am Ufer des Tibers und notierte, welche Kirchenglocke wie zur vollen Stunde um vier Uhr schlug.

Die Engelsburg kann man als Klassiktourist ebenso leicht besuchen wie die zentral gelegene Kirche Sant‘ Andrea della Valle: Die Kapelle, in der sich der 1. Akt abspielt, ist gleich die erste beim Eingang. Der Palazzo Farnese – Schauplatz des mittleren Akts – wird dagegen heute von der französischen Botschaft genutzt. Ich hatte Glück bei einem Rom-Besuch, weil es gerade die Tage des offenen Denkmals gab und ich darum eine Besichtigung buchen konnte. Sogar abends, zu der Stunde also, wenn Tosca ihr Konzert im Innenhof des Palazzo gibt. Ein magisches Erlebnis.

Die Kolumne „Der Klassiker“ erscheint immer donnerstags.

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