
© „Dornröschen“. Peter Angermann, Jan Knap. 1982. 225 x 185 cm. Acryl auf Leinwand, Foto: Grisebach / Roman März / VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Komm spielen: Die Gruppe Normal erzählt bei Grisebach böse Märchen
Das Berliner Auktionshaus Grisebach feiert die Achtzigerjahre mit den farbstarken, erzählerischen Motiven von Milan Kunc, Jan Knap und Peter Angermann.
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Es gibt Kunst, deren Bedeutung in einem Nebel aus abstrakten Formen und verschlüsselten Zeichen verborgen bleibt und als unlösbares Rätsel erscheint. Die Arbeiten der Gruppe Normal gehören nicht dazu. Ihre Bildsprache ist direkt, oft augenzwinkernd und voller erzählerischer Elemente.
Wer die Werke von Peter Angermann, Milan Kunc oder Jan Knap betrachtet, erkennt Motive, die überspitzt, aber vertraut wirken. Doch auch hinter dieser vermeintlichen Lesbarkeit verbirgt sich eine subversive Metaphorik, die die Kehrseite einer zerrütteten Gesellschaft offenbart.
Das Auktionshaus Grisebach zeigt in der Ausstellung „Gruppe Normal – Die anderen ,Jungen Wilden´“ 19 Einzel- und Gemeinschaftswerke und lädt zur (Neu-)Entdeckung eines vergessen geglaubten Kollektivs der deutschen Nachkriegskunst ein.
Gegen die Konzeptkunst
Die drei Maler, die sich in den Klassen von Joseph Beuys und Gerhard Richter an der Düsseldorfer Kunstakademie kennenlernten, teilten eine kritische Distanz zur heroischen Ernsthaftigkeit der Konzeptkunst.
Als Gegenbewegung formierten sich in den späten 1970er-Jahren zahlreiche Gruppen, die eine Rückkehr zur figurativen Malerei praktizierten. Während die Neuen Wilden mit expressiver Geste arbeiteten, verfolgte die 1979 gegründete Gruppe Normal eine andere Strategie und verband altmeisterliche Techniken mit ironisch gebrochenen Bildwelten.
Dabei griff sie oft auf Klischees zurück, wodurch viele der Werke kindlich, fast naiv wirken. Doch gerade dieser spielerische Umgang mit Bildwelten verleiht ihnen Tiefgang.
Auf dem Gemälde „Tierparty“ (1979) feiern Insekten auf einer Blumenwiese unbeeindruckt vor einem gewaltigen Atompilz. Ein Käfer mit Hammer und Sichel auf seinen eingezogenen Flügeln spielt Akkordeon, während der Schmetterling im USA-Anzug den Takt auf der E-Gitarre vorgibt und seine Gefährten sich betrinken. Ein scharfer Kommentar auf die späten 1970er-Jahre, in denen Hedonismus und geopolitische Spannungen nebeneinander existierten.
Thema sind die Unterschiede
Besonders Kunc und Knap, die nach der Niederschlagung des Prager Frühlings aus der Tschechoslowakei nach Westdeutschland geflohen waren, brachten eine Sozialisation mit, die sich fundamental von der ihrer westdeutschen Kollegen unterschied.
In ihren Werken reflektierten sie die Diskrepanz zwischen Ost und West, Sozialismus und Kapitalismus, Traditionen und Moderne. So zeigt „News from Teheran“ (1979) eine blonde Frau, die rauchend und halb nackt vor einem Fernseher liegt, auf dem Ruhollah Chomeini zu sehen ist.
Es entsteht die irritierende Illusion, als würde der Anführer der Islamischen Revolution direkt in den entblößten Schoß der Frau starren. Eine provokante Inszenierung des Spannungsfelds zwischen politischer Ideologie und individueller Freiheit. Ein banaler Haushaltsgegenstand – ein ungenutztes Bügeleisen – verstärkt das Bild: Die Frau hat sich längst von traditionellen Geschlechterrollen befreit.
Mit Leichtigkeit in die Krise
Trotz ihrer Entstehung in den späten 1970er-Jahren haben die Bilder eine frappierende Aktualität. Sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Umbrüche, mit denen wir auch heute konfrontiert sind.
Ein Beispiel ist die spätere Einzelarbeit „Turmbau zu Babel“ (1989) von Angermann, auf der eine groteske Verdichtung der modernen Welt zu sehen ist. In surrealer Ästhetik wachsen Gebäude in ungeahnten Höhen, während der in eiskalten Farben erstarrte Planet zu kollabieren droht.
Der Mensch will immer höher hinaus, doch wie lange hält das System? Eine beunruhigende Vision angesichts der heutigen Klimakrise und rasanten Urbanisierung.
Dennoch hat sich das Trio nie der Melancholie oder Resignation hingegeben, damals wie heute nicht. Seine Kunst bleibt optimistisch, ihr Humor unbeschwert. Die Werke zeigen uns, dass große Themen auch mit spielerischer Leichtigkeit verhandelt werden können – ohne an Relevanz zu verlieren.
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