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Qualitätsgeprüft. Hedy Grabner von der Schweizer Handelskette „Migros“ erhält den Preis als Kulturinvestor 2010 am Donnerstag im Tipi am Kanzleramt. Links im Bild: Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff. Foto: Davids

© DAVIDS

Kultur und Wirtschaft: Kreativ Geld verdienen

Was Kultur und Wirtschaft miteinander verbindet: der "Kulturmarken-Award 2010" in Berlin – und eine Konferenz im Tagesspiegel.

Eigentlich würde man denken, dass Kunst gerade das Gegenteil einer Marke ist: Nicht für Verwertungszwecke konform zu schneidern, wiedererkennbar und endlos reproduzierbar. Sondern die Gesetze des Marktes gerade unterlaufend, autonom, radikal und einzigartig, entstanden in einem genialischen Schaffensakt. Doch das ist natürlich nur die eine Seite der Medaille. In der modernen Informationsgesellschaft wird Aufmerksamkeit zur wichtigsten Währung, und auch Kunst und Kultur sehen sich dem Anpassungsdruck zur Markenbildung ausgesetzt – die Berliner Philharmoniker machen’s vor.

Um Städte, Firmen und Einzelpersonen, die sich auf diesem Gebiet besonders hervorgetan haben, auszuzeichnen, vergibt die Berliner Agentur Causales seit dem Jahr 2006 jedes Jahr den „Kulturmarken-Award“, der aus fünf Preisen besteht. Eine davon, die Auszeichnung für den Kulturinvestor des Jahres, wird vom Tagesspiegel gestiftet. Das Tipi am Kanzleramt, wo am Donnerstag die Gala zur Preisverleihung stattfindet, ist völlig überfüllt – im Grunde der Traum eines jeden Kulturveranstalters.

Es geht eine Stunde später los, und Jurypräsident Henry C. Brinker nimmt sich noch einmal ausführlich Zeit, spricht vom „Markenkerngehäuse“ der Kunst und von ihrem „Schleier der Ewigkeit“. Ein guter Grund für Tagesspiegel-Chefredakteur und Jurymitglied Stephan-Andreas Casdorff, auf das Manuskript seiner geplanten dreieinhalbstündigen Rede zu verzichten: „Keine Angst, mein Nachnahme klingt nur nach Castro.“

Auch der Tagesspiegel sei, so Casdorff, eine stilprägende Kulturmarke. Der Empfänger des Kulturinvestor-Preises, der Schweizer Einzelhändler Migros, ist die größte Supermarktkette des Landes. Im Jahr 1925 gegründet, spendet sie seit 1957 jedes Jahr den „Kulturprozent“ – ein Prozent des Umsatzes – an kulturelle und soziale Projekte. 2009 waren das 114 Millionen Franken. „Eigentlich müssten Sie der Jahrzehntpreisträger sein“, meint Laudator Holger Christmann von der Zeitschrift „Weltkunst“, „denn Kulturinvestition ist Teil der Seele ihres Unternehmens.“

Dann geht es doch noch Schlag auf Schlag. In der Kategorie „Trendmarke des Jahres“ wird die Hip-Hop Academy Hamburg ausgezeichnet – nominiert war unter anderem auch die Temporäre Kunsthalle Berlin. „Kulturmarke“ wird Ruhr 2010, mit der das Ruhrgebiet versucht hat, sich als Europäische Kulturhauptstadt eine einheitliche Identität zuzulegen. Bei der „Stadtmarke“ geht der Preis nicht an Erfurt oder Leipzig, sondern an die niedersächsische Stadt Hameln.

Silke Fischer, Begründerin des Märchenlands e. V., trägt in diesem Jahr den Sieg in der Kategorie „Kulturmanagerin des Jahres“ davon. Regelmäßig treten Prominente für ihren Verein auf, auch Stephan-Andreas Casdorff und der Schriftsteller und Journalist Hellmuth Karasek haben schon Kindern Märchen vorgelesen – für eine Kulturmarke einfach eine Selbstverständlichkeit. Denn mit den Märchen fängt es an. Sie sind für viele Kinder der erste Kontakt zur Kunst.Udo Badelt

Doch nicht nur zum Feiern waren 350 Fachleute aus den Bereichen Kulturmarketing, -sponsoring und -investment in die Hauptstadt gekommen, sondern auch zum Arbeiten. Nachdem der „Kulturinvest-Kongress“ im vergangenen Jahr im Admiralspalast stattgefunden hatte, war diesmal das Tagesspiegel-Verlagsgebäude am Askanischen Platz Austragungsort des Branchentreffs.

In den neuen Veranstaltungsräumen konnten die Teilnehmer am Donnerstag und Freitag 55 Vorträge und Referate besuchen, die sich alle um die Frage drehten, wie Kunst und Geld zusammenkommen können. Marketingentscheider aus international agierender Firmen, Kommunikationsprofis von Non-Profit- und Kulturinstitutionen aber auch privaten PR-Agenturen, Kulturmanager und -investoren saßen im Publikum und ließen sich beispielsweise von Niklas Duffek, dem stellvertretenden Kaufmännischen Direktor des Wiener Burgtheaters erklären, dass weltbekannte Bühnen ihre Stellung als „Markenartikel“ immer wieder neu erkämpfen müssen. Zum Beispiel durch eine Imagekampagne, wenn der neue Intendant Matthias Hartmann die vier Spielstätten der „Burg“ als Dachmarke im Bewusstsein der Österreicher implementieren will. Für Preußen allerdings wirken die dafür erfundenen Werbeslogans wie „Welt Burg Dorf“ oder „Er darf Burg kann“ dann doch eher rätselhaft. Leichter nachvollziehen ließen sich da schon die Strategien der Deutschen Bahn, als Hauptsponsor bei der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 mitzumachen. Wo es darum geht, dass sich Dinge nach vorne bewegen, will ein Konzern, der Mobilität verkauft, gern dabei sein.

Wer es einmal geschafft hat, einen Geldgeber aus der Wirtschaft für sein Projekt zu begeistern, kann sich übrigens zumeist auf ein mehrjähirges Engagement des Sponsors einstellen. Nur als kontinuierliche Kooperation habe die Zusammenarbeit mit Kultur- respektive Sozialeinrichtungen Sinn, erklärte Gabriele Handel-Jung die Leiterin der Marketingkommunikation bei DB Mobility Logistics.

Ähnlich sieht es Corinne Grundmann, beim Tagesspiegel für Vertrieb und Marketing zuständig: Die Medienpartnerschaften, die sie mit Kulturinstitutionen der Hauptstadt einfädelt, sollen ebenfalls keine Eintagsfliegen sein, sondern längerfristig zum positiven Imagetransfer in beide Richtungen beitragen. Und damit neue Kunden gewinnen. Leser, die die Vorzüge einer „reflektierenden Tageszeitung“ zu schätzen wissen, wie Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff hinzufügte: Einer Zeitung, die ihre Leser „täglich neu zum Meinunghaben befähigen will“. Auch über Fragen von Kunst und Markenbildung. Frederik Hanssen

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