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Ohne Titel, 2023, Tusche auf Papier, von Hanns Schimansky.

© Galerie Inga Kondeyne

Kunst von Hanns Schimansky in Berlin: Im Abenteuerland der Linien

Eine Galerieausstellung zum 75. Geburtstag von Hanns Schimansky zeigt seine Zeichnungen. Und die der Weggefährten Eve Aschheim, Curt Asker, Joachim Böttcher, Paco Knöller und Manfred Zoller.

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Hanns Schimansky tanzt. In der Stille oder beim Free-Jazz. In seinen Zeichnungen bewegt es sich auch. Jeder Strich folgt einer inneren Choreografie. Man kann den Geraden und Diagonalen beim Wachsen zuhören, der Feder das Kratzen ablauschen. Wie die schwarze Tusche wandert, gerade hinauf und noch ein wenig höher und plötzlich im 90-Grad-Winkel abstürzt oder über das weite Feld des weißen Papiers in die Unendlichkeit läuft.

Die Linie als essenzielle Ausdrucksform der Zeichnung. Als existenzielle des Künstlers auch. Waren Schimanskys Arbeiten in den 1990er-Jahren oft dichte Konglomerate von schwarzer Tusche, wurde der Zeichnungsraum seit der Jahrtausendwende licht, offen und leicht; Farbe trat hinzu. Das Räumliche wird mit Faltungen und Transparenzen, die die Rückseiten des Blattes einbeziehen, ins Plastische erweitert.

Horizontale, Senkrechte oder Schwünge vibrieren, beleben mal kräftig, mal Spinnwebfäden oder Äderchen gleich die Zeichnungen, die zart und mit augenzwinkerndem Humor von tiefer Energie zeugen. Schwarze Wasser, die nach oben fließen. Im Kosmos von Hanns Schimansky ist alles möglich, alles ohne Absicht.

Gratulation zum 75. Der Zeichner Hanns Schimansky.

© Carsten Sievers

„Es ist ja gar nichts gemeint“, sagt der Künstler in einer knapp 30-minütigen Dokumentation, die anlässlich seines 75. Geburtstags im Mai in einem privaten Rahmen vorgeführt wurde. „Es sind Linien und mit denen kannst du dann im Kopf spielen.“

Ein Jahr lang hat sich Schimansky vom Filmteam um Jacobe Klein und Jonathan Steil beim Werden seiner Kunst über die Schulter schauen lassen. Hat sein Atelier und seine Schubladen geöffnet, unentwegt Blätter ausgebreitet, „so viele der Boden fassen kann“, heißt es in dem poetischen Porträt über den schelmischen Magier der Zeichnung.

Geboren wurde Hanns Schimansky 1949 in Bitterfeld. Doch prägend war das Aufwachsen in den Küstenstädten Stralsund und Rostock, wo er 1968 bis 1972 Agrarwissenschaften studiert hat und nach dem Abschluss in der Getreidewirtschaft arbeitete.

Gezeichnet hat Schimansky schon seit der Schulzeit. Später von dem in der DDR prägenden Zeichner und Grafiker Gerhard Kettner gefördert, erhält der Autodidakt 1977 ein dreijähriges Stipendium als Meisterschüler an der Akademie der Künste der DDR in Berlin. Den Brotberuf hängt er fortan an den Nagel. Kurz nach dem Mauerfall präsentiert die Neue Nationalgalerie den mittlerweile international renommierten und vielfach ausgezeichneten Künstler.

Impulse des Materials Papier

Bis heute begibt sich Schimansky auf seine Suche und improvisiert im Abenteuerland der Linie. Entwickelt mit der Zeit mehr und mehr pure Abstraktionen, nutzt aleatorische Momente und Impulse des Materials Papier.

Die Linien, ihr Tanz und ihre Dynamik scheinen zu ihm zu kommen, finden federleicht und unangestrengt ihren Weg auf das Blatt, von wo aus sie zum Betrachter schweben, ihn an die Hand nehmen in überraschende Erfahrungswelten. Mal grafisch gespannt, dann dynamisch fließend, leicht faserig im Duktus bis zu nervös flatternd.

Eine kleine Auswahl jüngst entstandener Arbeiten zeigt die Ausstellung „gehen wir mal zu Schimansky rüber“ in der Galerie Inga Kondeyne. Langjährige Weggefährten und Freundinnen wie Joachim Böttcher, Paco Knöller oder Eve Aschheim gratulieren dem Jubilar mit Arbeiten auf und aus Papier.

Manfred Zollers farbintensive Collagen, die im abstrahierten Antlitz die Figuration noch andeuten oder die den Raum konturierenden, schwebenden Skulpturen von Curt Asker treten in den Dialog mit Schimanskys faszinierenden Abstraktionen, die in eigenwillige Gedankenregionen und fröhlich klingende Rhythmen vorstoßen. „Jede Zeichnung gerät dem Künstler zum unmittelbaren Ausdruck seines Körpers“, sagt der ehemalige Leiter des Hamburger Bahnhofs Eugen Blume im Film. Und Hanns Schimansky tanzt.

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