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Licht- und Klangfänger. Der Berliner Künstler Wolf Kahlen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kunstmacher Wolf Kahlen wird 80: Er experimentiert mit Licht, und betreibt eine Ruine als Museum

Wolf Kahlen nennt sich selbst Urständler, weil er seine Kunst den Urempfindungen des Lebens widmet. Heute wird er 80 Jahre alt. Eine Gratulation.

Die Mauern sind mürbe, doch drinnen waltet ein Pionier mit jugendlichem Geist. Dahin gehen, wo kein anderer hingeht. Und wenn es eine zerbombte Villa in der Hittorfstraße im gutbürgerlichen Berliner Bezirk Dahlem ist.

Der Aura eines verlassenen Hauses nachspüren, den Wind im Gestrüpp der zugewucherten Terrasse rascheln hören, dem leisen Bröckeln des Putzes lauschen. Und dann dem Vernichtungswerk der Zeit Paroli bieten.

Schutt herauskarren, Fenster reinsetzen, Fußböden einziehen. Wer Künstler ist, kann auch Heimwerker sein, ein Hippie mit zauseligem Backenbart sowieso.

Macherqualitäten zeichnen das am 7. Januar 1940 in Aachen geborene Geburtstagskind Wolf Kahlen genauso aus wie seine Neugier auf technische Innovationen. Im Laufe seines nunmehr 80 Jahre währenden Lebens hat er sich viele Professionen erschlossen.

Medienbildhauer, Filmemacher, emeritierter Professor des Fachbereichs Architektur der TU Berlin, Tibetforscher und was der Bezeichnungen mehr für den Buddhisten, früheren Fluxus-Anhänger und enthusiastischen Museumsmacher sind.

Er experimentiert in den Siebzigern mit Videos

Damals, als eine Mauer Berlin noch teilte, hat er früh den Zauber aufgelassener Gebäude für Kunstausstellungen entdeckt. Wer in den Siebzigern cool und wild sein wollte, malte expressiv, wohnte in Kreuzberg und soff mit der dortigen Bohème.

Wolf Kahlen, der in den sechziger Jahren an der Hochschule der Künste und der FU studiert hat, lebt nach Stationen in New York, Mexiko, Rom und Reisen durch den Himalaya als Familienvater in Dahlem und experimentiert mit dem neuen Medium Video.

Ein Haus für Konzeptkunst

Zusammen mit seinem Sohn Timo – damals Abiturient, heute Klangkünstler und Kunsterzieher – eröffnet er 1985 die pittoreske „Ruine der Künste“ als Ort für „materielle und immaterielle Künste“.

Außen wirkt das Haus marode, innen ist es licht und luftig zum privat unterhaltenen Ausstellungsort inklusive einer Wohnung für Gastkünstler ausgebaut. Das bis heute mit wechselnden Ausstellungen und eigenen Werken bespielte Haus ist Konzeptkunst, was sonst.

Genauso wie Wolf Kahlens zweite Spielwiese, das Intermedia Arts Museum im vor 2005 von Videokunst unbehelligten Brandenburger Städtchen Bernau. Das Wolf-Kahlen-Museum residiert seither in einem Backsteinbau direkt im Stadtzentrum.

Pulverturm und Stadtmauer sind nur einen Steinwurf entfernt. Zu sehen sind Zeichnungen, Objekte, Installationen und Netz-Art der Kahlens und anderer Künstler. Jeden ersten Sonntag im Monat zeigt Wolf Kahlen das ganze Jahr 2020 über „Perlen der Videokunst von 1969 bis heute“.

Er widmet sich den Urempfindungen des Lebens

Das Flüchtige, das im Entschwinden erfasste ist das Wesen seiner Kunst. Um Wind, Klang, Licht, Bewegung und Zeit zu erfassen, braucht er den festen Rahmen seiner Kunsthäuser in Bernau und Dahlem. Die sind weder elitär noch kommerziell.

Kunstvermarktung per Event ist Wolf Kahlen fremd. Für seinen Sohn und sich hat er bei einem Besuch der „Ruine der Künste“ vor ein paar Jahren einen schönen Begriff gefunden: „Wir verstehen uns als Urständler.“

Als Künstler, die sich den Urempfindungen des Lebens widmen, sei es durch im Garten aufgeklaubte Naturmaterialien oder durch Internet-Art. Das vereint Gewesenes wie Zukünftiges. Pionier ist viel zu abgegriffen. Das wollen schließlich alle sein. Dann lieber Urständler.

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