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Performance im Rahmen der Ausstellung „Hab und Gut“ der Gruppe Endmoräne in Trebnitz, zu sehen ist Marta Ostajewska in der Performance „Empty suitcase“.

© Künstlerinnengruppe Endmoräne/Künstlerinnengruppe Endmoräne

Last und Lust: 22 Künstlerinnen beschäftigen sich in einem Lost Place mit dem Thema Nachlass

Die Gruppe Endmoräne zeigt im brandenburgischen Trebnitz in einem verlassenen Gebäudeensemble die Ausstellung „Hab und Gut“. Ein Gesamtkunstwerk in Scheune und Stall.

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Wir und die Dinge? Es ist kompliziert. Das merkt (spätestens), wer umzieht oder sein Elternhaus auflöst. So viel Zeug! Und die Entscheidung, was bleiben soll, ist selten rational begründbar („Was, den alten Stuhl willst du mitnehmen?!“).

„Hab und Gut“, die diesjährige Ausstellung der Gruppe Endmoräne, ist eine Tiefenbohrung zum Thema. 22 Künstlerinnen haben im brandenburgischen Trebnitz in einem verlassenen Ensemble von Gebäuden – Wohnhaus, Scheune, Ställe – gearbeitet. Vom Keller bis unters Dach: überall künstlerische Interventionen, von Film über Collage bis Performance.

Mal sind die Werke monumental, wie das riesige Spinnennetz auf dem Dachboden von Ka Bomhardt („Standbild“), oft sind sie subtil wie die Arbeit „Ständiges Vorhaben (Archiv der Möglichkeiten)“, für die Katrin Schmidbauer Bauholzlatten in dicke Verpackungsfolie eingepackt hat, als seien sie wertvolle archäologische Grabungsfunde.

Spinnennetz auf dem Dachboden

Beim Durchwandern des Geländes schärft sich der Blick, man entdeckt plötzlich überall Kunst – der spannende Riss im Putz, dann diese Schraube und dort eine Muffe unter der Toilettenschüssel, die farblich zur Tapete passt …

Dass das Haus bis vor wenigen Jahren noch bewohnt war, kreiert eine sehr intensive Atmosphäre – anders als die berühmten Ready-mades von Marcel Duchamp sind diese Dinge eben nicht in einem cleanen Museumsbau ausgestellt. Es riecht nach Keller, fremder Wohnung und einer Spur Motoröl. Und neben den zu Kunst verwandelten Schnapsfläschchenbergen („Lost and Found“ von Gisela Genthner) gibt es echte Spinnweben.

Wie hartnäckig die Dinge ihre klebrigen Krallen ausstrecken, haben die Künstlerinnen im Laufe des Projektes gemerkt: Die ehemalige Besitzerin des Geländes holte regelmäßig Sachen zurück, die längst abgetreten und für eines der Kunstprojekte vorgesehen waren.

Sie haben sich intensiv auf das Gelände und seine Geschichte und Geschichten eingelassen, unter anderem ist mit „Empty suitcase“ eine Arbeit von Marta Ostajewska zu Kriegsflüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg zu sehen.

Aber auch mit der Geschichte der Familie, in deren Ding-Welt man sich hier draußen bewegt, geht die Gruppe ebenso respektvoll wie poetisch um. Aus dem Verkaufswagen, mit dem die Vorbesitzerin Broiler verkaufte (man sieht sie im Porträt), hat etwa Seraphina Lenz eine „Verletz-Bar“ gemacht, in der Cocktails mit Brennnesseln in angeschlagenen Gläsern serviert werden. Bruch und Erschütterung, vielleicht auch biografisch, werden zart angedeutet, ohne bloßzustellen.

In das Ensemble auf dem Gelände der historischen Gutsanlage Schloss Trebnitz soll in den nächsten Jahren eine Nachlassstiftung für Bildhauer und Bildhauerinnen einziehen.

Eine vielschichtige und berührende Auseinandersetzung mit Besitz, Festhalten und Loslassen. Den Berg Sperrmüll am Ortsausgang, aus dem Auto entdeckt, sieht man nach dem Besuch mit ganz anderen Augen.

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