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Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian, links) und Fitnessstudio-Managerin Lou (Kristen Stewart) kommen sich schnell näher.

© Courtesy Of A24

Lesbischer Pulp-Thriller „Love Lies Bleeding“ mit Kristen Stewart: Schon jetzt Kult

Muskeln, Sex und Gewalt: Regisseurin Rose Glass rührt in ihrem zweiten Spielfilm „Love Lies Bleeding“ einen explosiven Genre-Cocktail zusammen. Ihre Hauptdarstellerinnen Kristen Stewart und Katy O’Brian liefern ein großartiges Spektakel.

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Ein paar Tage nach dem Mauerfall berichtet ein US-amerikanischer Fernsehsender, dass ein Dutzend weitere Grenzübergänge geöffnet wurden. Immer mehr Menschen strömen in den Westen. Während eine dicht gedrängte Menschenmenge zu sehen ist, spricht der Kommentator von Geschichte, die gemacht werde, und von einer elektrisierenden Atmosphäre,

Jackie (Katy O’Brian), die das TV-Gerät eingeschaltet hat, schaut gar nicht hin. Sie ist damit beschäftigt, sich eine Spritze mit Steroiden zwischen die Zehen zu setzen. Dann richtet die muskulöse junge Frau sich auf und posiert vor einem Spiegel.

Der daneben stehende Fernseher liefert ihrem Wohnzimmerauftritt den passenden Soundtrack, denn jetzt klatschen und johlen die Leute in Ost-Berlin.

Die Bodybuilderin arbeitet an ihrem eigenen historischen Moment: Sie will einen Wettbewerb in Las Vegas gewinnen – allerdings ist sie auf dem Weg dorthin in einem Kaff in New Mexico hängen geblieben. Sie hat sich dort in die Fitnessstudio-Managerin Lou (Kristen Stewart) verknallt, ist bei ihr ein- und in den Abgrund ihrer Familie hineingezogen worden.

Jackies Spiegel-Show ist nach etwa einer Stunde Laufzeit von „Love Lies Bleeding“ der letzte Augenblick, bevor die Handlung endgültig in eine unheilvolle Eskalationsspirale abdreht. Nach Liebe und Lügen dominiert nun das Blut. Die Liebe – so kann der Titel ebenfalls gelesen werden – liegt blutend am Boden.

Die britische Regisseurin Rose Glass inszeniert ihren zweiten Spielfilm mit großer Verve und immenser Lust an der Überzeichnung. Das erinnert mitunter an den frühen Quentin Tarantino, wobei die starke Körperlichkeit und der Fokus auf außergewöhnliche Frauenfiguren auch schon ihren in England angesiedelten Debütspielfilm „Saint Maud“ über eine in den religiösen Wahn abgleitende Krankenpflegerin prägten.

Glass schafft eine coole Achtziger-B-Movie-Anmutung, wodurch die Zeichen ihres Films schon unmittelbar nach der umjubelten Premiere beim Sundance-Festival im Januar auf Kult gestellt waren. Er könnte so etwas wie das „Bound“ (1996) der queeren Millenials und Gen-Zler werden. In dem erotisch aufgeladenen Film noir der Wachowski-Schwestern trickst ein Frauen-Paar die Mafia von Chicago aus.

Die Chemie zwischen den Hauptdarstellerinnen ist grandios

Großen Anteil an der packenden Wirkung von „Love Lies Bleeding“ haben die beiden Hauptdarstellerinnen, deren Chemie auf der Leinwand grandios ist – und die auch abseits davon viel dafür tun, das Werk zu pushen.

Sowohl Kristen Stewart als auch die bisher vor allem durch Superhelden- und Science-Fiction-Filme bekannte Katy O’Brian sind wie die 1990 geborene Regisseurin offen queer und gehen damit genau wie die Protagonistinnen im Film sehr selbstverständlich um – in Hollywood weiterhin eine Rarität.

Weshalb auch Stewarts sexy Fotoserie für eine „Rolling Stone“-Covergeschichte pünktlich zur Sundance-Premiere erwähnenswert ist. Sie nannte die Bilder im Fitnessstudio-Ambiente „the gayest fucking thing you’ve ever seen in your life.“ Auch bei der Pressekonferenz zur Berlinale-Premiere im Februar konnte sie gar nicht warten, darüber zu sprechen.

Kein Wunder, dass die ihrer Film-Arbeitskleidung nachempfundenen Shirts mit der Aufschrift „Crater Gym“, die die Produktionsfirma A24 vertreibt, ständig ausverkauft sind – im Netz finden sich allerdings zahlreiche inoffizielle Kopien.

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Kristen Stewart spielt Lou zunächst als leicht genervte Angestellte des Crater Gyms, dessen Toiletten ständig verstopft sind und an dessen Wänden Motivationssprüch wie „No pain no gain“ oder „Destiny is a decision“ prangen. Als sie zwischen den Geräten zum ersten Mal Jackie sieht, wirkt ihr Blick plötzlich wie angeknipst. Schon bald kommen sich die beiden näher, Lou setzt der Sportlerin ihre erste Spritze in den Hintern, die gibt ihr daraufhin den ersten Kuss.

Die Amour fou bleibt jedoch nicht lange ungestört, denn Lou hat einen kriminellen Vater (in exquisiter Ekelhaftigkeit verkörpert von Ed Harris) und einen Schwager (Dave Franco), der regelmäßig ihre Schwester (Jena Malone) krankenhausreif prügelt. Von Lous Mutter gibt es seit Jahren keine Spur.

Die Sprache der Gewalt ist tief eingeschrieben in diese Familie. Jackie, über die man nur erfährt, dass sie aus Oklahoma kommt, als Kind adoptiert wurde, einst dick war und deshalb mit dem Kraftsport angefangen hat, spricht diese Sprache allerdings auch – zumal seit sie im Crater Gym trainiert. Und so bringt sie einen neuen, ausgesprochen harten Akzent in die Familienstreitigkeiten ein.

Jackies anschwellende Muskeln und Adern zeigt Rose Glass immer wieder in Nahaufnahme, unterlegt mit einem knarzenden Geräusch. Damit fügt sie ihrem Genre-Mix eine Prise Body Horror hinzu und packt sogar noch einen veritablen Hulk-Moment obendrauf.

Ja, „Love Lies Bleeding“ dreht manchmal ziemlich ab – und bleibt gerade deshalb im Gedächtnis.

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