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Kultur: Lola macht Tempo - auch in Amerika

Endlich wieder eine deutsche Lola, die in Amerika Furore machen könnte. Darauf hofften die Planer des Seattler Filmfestivals bei der Zusammenstellung ihres diesjährigen Programms.

Endlich wieder eine deutsche Lola, die in Amerika Furore machen könnte. Darauf hofften die Planer des Seattler Filmfestivals bei der Zusammenstellung ihres diesjährigen Programms. Sie sahen Franka Potente und dachten an die große Marlene Dietrich, die vor fast 70 Jahren mit ihrer Lola-Rolle in "Der blaue Engel" eine Weltkarriere begann. Es war natürlich kein Zufall, das Tom Tykwers "Lola rennt" den guten Termin als Höhepunkt des letzten Festival-Wochenendes bekommen hatte, gibt die Seattler Programmchefin Kathleen McInnis zu. Der Film traf den Geschmack des Publikums: Es wählte die rasante Lovestory mit dreifachem Ende Anfang Juni zum besten Film des Festivals.

Die Amerikaner flippen aus, wenn sie Franka sehen, freut sich Tykwer. Er prophezeit seiner Hauptdarstellerin - und Lebenspartnerin - eine große Zukunft und schiebt, demonstrativ bescheiden, den Erfolg seines Films zunächst mal auf sie. "Lola rennt" gewann nicht nur in Seattle, sondern auch schon im Januar, beim wichtigen Sundance-Festival, einen Hauptpreis. Die Kritiker äußerten sich lobend, die "New York Times" druckte gar neben einer positiven Filmbesprechung ein ausführliches Porträt des Regisseurs. Der Kinostart am vergangenen Wochenende in New York und Los Angeles fand zwar zunächst nur auf fünf Leinwänden statt. Aber dies ist ein für nicht-amerikanische Filme üblicher Weg, und die fast vollen Häuser der Abendvorstellungen sind ein gutes Zeichen.

Erst in den nächsten Wochen, nach hoffentlich erfolgreicher landesweiter Mundpropaganda, wird die Zahl der verschickten Kopien vom Verleih Sony Classics langsam erhöht. Mit dieser Methode gelang es unlängst dem Konkurrenten Fox Searchlight, den britischen Film "The Full Monty" (Ganz oder gar nicht) mit Einnahmen von 45 Millionen Dollar zum erfolgreichsten ausländischen Film der amerikanischen Kinogeschichte zu machen. Die "Lola rennt"-Einnahmen von knapp 90 000 Dollar allein am ersten Wochenende mögen, verglichen mit den Blockbustern, zwar wie Peanuts wirken, sind aber ein ermutigender Anfang - insbesondere für einen nicht-englischsprachigen Film. "Der bewegte Mann" zum Beispiel kam während seiner gesamten US-Spielzeit nur auf insgesamt 400 000 Dollar.

Bei allem Stolz auf seine Lola - Tom Tykwer glaubt auch deshalb an einen US-Kassenerfolg, weil sein Film kosmopolitisch angelegt ist. "Das habe ich vorher nicht gewußt, aber jetzt hat es sich so gezeigt", sagt der Regisseur. "Es gibt eben Stoffe, da ist es völlig egal, wie die Leute im Film sprechen." Dieser Aspekt ist in Amerika allein schon deshalb besonders wichtig, weil ausländische Filme dort grundsätzlich nicht synchronisiert werden. Stattdessen sollen die Zuschauer mit lästigen Untertiteln über die Sprachbarriere hinwegkommen; das funktioniert nur selten, vor allem dann nicht, wenn auch noch die importierten Geschichten dem US-Publikum völlig fremd sind.

"Lola rennt" aber hat ein universelles Thema, "ein winziger Augenblick hat einen Riesen-Einfluß", so beschreibt Tykwer den Grundgedanken seiner Handlung. Außerhalb Deutschlands läuft "Lola rennt" mittlerweile in 40 Ländern, vom US-Start allerdings verspricht sich Tykwer besonders viel: "In Amerika fällt immer auf, daß es dieses spielerische Verhältnis zu komplexen Themen gibt. Dafür sind Amerikaner besonders offen." Es existiert sogar eine Marktlücke, glaubt Tykwer; auch US-Zuschauer sehnten sich, meint er, zunehmend nach "Truffauts Leichtigkeit" statt nach schwerfälligem "Armageddon"-Bombast.

Klug gemachtes europäisches Kino-Entertainment ist also auch im Heimatland Hollywoods durchaus gefragt. Tykwer will die Nachfrage gerne befriedigen - "wenn etwas unterhaltsam ist, dann darf es trotzdem auch intelligent sein. Und die Kunst, die mich bisher am meisten beeinflußte und beeindruckte, war die, die beides hingekriegt hat." Tykwer freut sich über die Vorschußlorbeeren, die er dank dieser Kino-Philosophie in den USA bereits einheimste. Aber noch mehr als Festivalpreise und freundliche Kritiken genießt er den amerikanisierten Titel seines Films: "Run Lola Run" sei agitativ und spiegele die Energie der Bilder wider; den Originaltitel findet der Regisseur und Drehbuchautor allerdings nach wie vor "spröde, aber gut".

Tykwer wurde bereits von Hollywood umworben, vorläufig aber zieht ihn nichts über den Atlantik. "Im Augenblick habe ich halt nur Geschichten im Kopf und auf Papier, die in Deutschland spielen, weil ich mich da gut auskenne. Die Angebote aus Amerika waren zwar richtig interessant, ich war nur nicht der Richtige dafür; ich würde diese Filme gerne sehen, machen muß ich sie deshalb noch lange nicht."

Wim Wenders, den es mittlerweile nach Jahrzehnten der filmischen Amerika-Vergötterung endgültig nach Los Angeles verschlagen hat, zeigte 1987 mit "Der Himmel Über Berlin" der Welt eine noch durch die Mauer geteilte Stadt. Der Film wurde in den US-Programmkinos zum großen Erfolg, und Tom Tykwer vermutet, daß sein eigener Film nun das zwölf Jahre alte Bild Berlins beim US-Publikum gründlich verändern wird. "Bei den Dreharbeiten war die Stadt noch übersät mit Baustellen. Die lichten sich ja nun langsam, aber es ist immer noch eine Stadt, die im Begriff ist, eine andere zu werden. Eine Stadt zwischen den Zeiten - dazu paßt sehr gut ein Film über eine Frau, die zwischen den Zeiten rennt."

THOMAS STRATMANN

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