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Die Bauakademie in Berlin, 1868 gemalt von Eduard Gaertner.

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Malerei hat Relevanz, das zeigt die Bauakademie: Bring mir den Gaertner!

Gute Nachricht für alle, die das Malen lieben: Es gibt Dinge, die sind selbst im digitalen Zeitalter am besten über ein Gemälde abzubilden.

Birgit Rieger
Eine Kolumne von Birgit Rieger

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Kunst im Museum ist toll, noch inspirierender aber ist es, wenn das, was Künstler erschaffen, sich direkt ins Leben einschreibt. Das passiert ständig. Selbst mit Malerei, die schon so oft totgesagt worden ist. Eduard Gaertner ist der Beweis.

Der Maler hat 1868 die Berliner Bauakademie gemalt. Wahrscheinlich hätte er sich nicht vorstellen können, dass sein Ölbild mehr als 150 Jahre später digitalisiert und stark nachgefragt sein würde. Im Moment geht es in Berlin darum, wie die von Karl Friedrich Schinkel gebaute und 1962 abgerissene Bauakademie wiedererrichtet werden soll.

Als Vorbild der Realität

Architekten, Stadtplaner und Soziologen streiten sich, ob man Schinkels damals geniale Fassade rekonstruieren oder ein neues Gebäude mit möglichst ebenso wegweisender, aber neuer Architektur hinstellen soll. Die rekonstruierte Schlossfassade des Humboldt Forum mahnt in Sichtweite. Es wird leidenschaftlich diskutiert. Und jeder Beitrag braucht ein Bild. Also her mit dem Gaertner!

Besorge mir das Gaertner-Bild rufen Journalistenkollegen und Kommentatoren. Es scheint die beste Option, um zu zeigen, wie Schinkels Bauschule mal ausgesehen hat. Dabei ist sie auf Gaertners Gemälde noch nicht mal ganz drauf. Steht mit ihrer roten Backsteinfassade angeschnitten an der rechten Bildecke, davor flanierende Damen mit Schirm und Reiter hoch zu Ross. Schönes Gestern.

Ein Teich wie auf einem Gemälde von Constable

In London legen Anwohner gerade einen vor 200 Jahren von John Constable gemalten Teich wieder an. Constable hat das romantische Gewässer im Park Hampstead, das nahe seines Hauses lag, wiederholt gemalt, meist vor wolkenverhangenem Himmel. Es war sein Lieblingsteich. 1880 wurde er zugeschüttet. Aber offenbar gibt es Anwohner, die nun wieder genauso am Ufer sitzen möchten, wie auf Constables Leinwand zu sehen. Das Bild wird erneut zur Realität.

Das passiert auch mit aktuellen Werken. Der Berliner Maler Daniel Richter, über den gerade ein Film im Kino läuft, hat 2001 ein vollbesetztes Schlauchboot auf unruhiger See gemalt. Das Bild hat es dann 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise auf den Titel des „Handelsblatts“ geschafft. In dem Kinofilm sieht man, wie Richter im Atelier Bilder von Soldaten mit Krücken malt. Aus heutiger Sicht wirkt das wie eine Vorahnung auf den Krieg in der Ukraine. An all die Maler da draußen: was ihr malt, hat Relevanz! Vielleicht jetzt, vielleicht erst in 200 Jahren. Manchmal muss es einfach ein Gaertner sein.

Die Kolumne „Riegers Runde“ mit Inspirationen aus der Berliner Kunstwelt erscheint jeden Mittwoch.

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