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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Mario Vargas Llosa beim Internationalen Literaturfestival im Kammermusiksaal im Philharmonie.

© Annette Riedl/dpa

Mario Vargas Llosa und der Bundespräsident: In der Schule der Toleranz auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin

Ein bisschen Show, ein bisschen Glam: Das Gespräch von Mario Vargas Llosa und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Literaturfestival in Berlin.

Die ersten Tage des Internationalen Literaturfestivals, sie stehen, so scheint es, ganz im Zeichen ihres prominentesten Gastes. Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa war am Mittwochabend nicht nur der Eröffnungsredner des Festivals, sondern hatte auch am Donnerstag gleich noch zwei Auftritte.

Am Abend saß er im Kammermusiksaal der Philharmonie in einer Runde mit Daniel Kehlmann, Nora Bossong, Sharon Dodua Otoo und Pankraj Mishra; und schon ein paar Stunden zuvor war er ebenfalls im Kammermusiksaal mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verabredet, um über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die liberalen Demokratien in der Welt zu sprechen.

Im Grunde wiederholte er sein Loblied auf die Literatur, ihre Non-Konformität und ihre fortschrittliche Kraft.

Das war irgendwie rührend, vor dem Hintergrund hiesiger Corona-Leugner-Demos aber auch bedenklich: In einer Demokratie hat die Literatur eine andere Funktion als in Diktaturen oder autokratischen Systemen. Die naheliegende Frage danach beantwortete Vargas Llosa abermals mit Gemeinplätzen über die Fortschrittlichkeit von Literatur. 

Viele Peruaner ignorierten den Lockdown

Immerhin: Warum es Peru so hart getroffen hat, wusste er mit der großen Armut in seiner Heimat zu begründen, damit, dass viele Peruaner einem Lockdown gar nicht nachkommen können, weil sie täglich draußen um ihr Überleben kämpfen. Und auch dass Peru vor Corona einen guten, demokratischen Weg eingeschlagen hatte, berichtete der schon seit langer Zeit in Madrid lebende Literaturnobelpreisträger von 2010.

Und dass leider auch das Corona-Missmanagement von Brasiliens Präsident Bolsonaro dessen Popularität selbst in Peru nicht unbedingt vermindert habe.

Der Bundespräsident wiederum bestätigte, dass die Eingriffe hierzulande hart gewesen seien, man aber jetzt bitte nicht an der neuen Normalität scheitern möge; und dass die Literatur – da ist er mit seinem Literaturbegriff weiter als sein Gegenüber – die gesamte Komplexität der Realität in den Blick nehmen könne, sie eine „Schule der Toleranz und der Empathie“ sei.

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Steinmeier gab an, während des Lockdowns Camus’ „Die Pest“ gelesen zu haben, aber auch Gabriele Tergits Roman „Effingers“ und den „Ullsteinroman“ von Sten Nadolny.

Vargas Llosa blieb dagegen unbestimmt, sagte, wie schön es doch sei, dass das Lesen nun einmal mit zu seinem Beruf gehöre und er an einem neuen Roman arbeite, über den spanischen Autor Benito Pérez Galdós, der im 19. Jahrhundert mit seinen „Episodios nacionales“ an einem riesigen Fortsetzungsroman nach dem Vorbild von Balzacs „Menschlicher Komödie“ gescheitert sei.

Es fragt sich, was für neue Erkenntnisse man bei so einem Zusammentreffen wie dem von Steinmeier und Vargas Llosa, von Politik und Literatur eigentlich wirklich gewinnen kann, und die Frage ist doch sehr leicht zu beantworten. Ein bisschen Show, ein bisschen Glamour jedoch braucht natürlich auch ein Literaturfestival, und insofern hat insbesondere Mario Vargas Llosa seine Schuldigkeit getan. Nun kann das Festival in medias res gehen.

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