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Kultur: Mehr Belgien

Kontinuität und Wechsel bei den Festspielen

Ende August feiern die Berliner Festspiele 60. Geburtstag, Ende des Jahres gibt Intendant Joachim Sartorius nach einem guten Jahrzehnt sein Amt ab, und Thomas Oberender, der Nachfolger, hat jetzt seinen künstlerischen Stab beisammen. Unter dem Festspieldach gedeiht eine Vielzahl von Festivals und Reihen, da kann eine gewisse Kontinuität nicht schaden, zumal die Festspiele im internationalen Vergleich kein Krösus sind. So bleibt Matthias Osterwold Leiter der März-Musik, Winrich Hopp behält das Musikfest im September. Der Leipziger Jazzjournalist Bert Noglik übernimmt ab 2012 die Leitung des Jazzfests vom schwedischen Posaunisten Nils Landgren. Der 63-Jährige, der in der DDR zu den großen Anwälten der frei improvisierenden Szene gehörte, gilt als erfahrener Organisator. 15 Jahre lang, bis 2007, verantwortete er das Leipziger Jazzfestival, seit drei Jahren leitet er in Berlin „Sounds No Walls“. Mit ihm könnte das Jazzfest wieder einen experimentelleren Charakter bekommen.

Yvonne Büdenhölzer, bisher schon für den Stückemarkt verantwortlich, rückt auf und übernimmt die Leitung des Theatertreffens. Das ist in erster Linie – die Auswahl bestimmt eine Jury – ein organisatorischer Job, während bei der Spielzeit Europa Fantasie, Erfahrung und Gestaltungswillen zählen. Dies alles bringt Frie Leysen reichlich mit. Die Belgierin reist seit Jahrzehnten durch die Welt des Theaters, verfügt über beste internationale Kontakte, ist die große, jung gebliebene Dame des europäischen Kuratorenwesens. Lange vor dem „Arabischen Frühling“ hat sie sich mit Künstlern in Kairo, Beirut und Damaskus befasst. 2010 leitete sie das „Theater der Welt an der Ruhr“, in den Neunzigern hob sie das „Kunsten“-Festival in Brüssel aus der Taufe. Belgien und die Niederlande zeichnen sich durch eine vitale, internationale Theater-, Tanz- und Performanceszene aus. Annemie Vanackere, die 2012 Matthias Lilienthal am HAU beerbt, stammt ebenfalls aus Belgien und leitet derzeit das Festival in Rotterdam.

So zieht mit Frie Leysen ein wenig HAUGeist bei den Festspielen ein, allerdings übernimmt sie die Spielzeit Europa nur für ein Jahr. 2013 tritt dann Matthias von Hartz an. Er leitet seit einigen Jahren das Kampnagel-Sommerfestival in Hamburg sowie – zusammen mit Tom Stromberg – das „Impulse“-Festival für freies Theater in Nordrhein-Westfalen. Von Hartz kennt sich bestens im Off-Theater aus, man erinnert sich in Berlin an seine Produktionen in den Sophiensälen, wo er politische Versuchsanordnungen entwickelte.

In welche Richtung Oberender und sein Team das Theaterprogramm der Festspiele drehen wollen, lässt sich aus der Konstellation erahnen. Allerdings wird es darum gehen, eine allzu große Nähe zum Hebbel am Ufer zu vermeiden. Brigitte Fürle, die bisherige Leiterin der Spielzeit Europa, hat auf große Namen und aufwendige Koproduktionen gesetzt. Das ist nicht unbedingt verkehrt, weil Kleinteiliges und Performatives in Berlin keinen Mangel leiden und große Namen wie Lemi Ponifasio und Peter Sellars – zu Gast in diesem Herbst – sonst eher nicht vorkommen. Interessant wird auch sein, wie der neue Intendant auf das Theater in seinem Haus einwirkt. Immerhin ist Oberender selbst Dramatiker und Dramaturg und hat das Schauspielprogramm der Salzburger Festspiele betreut. Rüdiger Schaper

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