
© Patrick McMullan via Getty Image/Sean Zanni
Memorial für Robert Wilson: Berlin feiert ein letztes Mal den großen Regisseur
Eine außergewöhnliche Stunde in der Akademie der Künste: Freunde und Weggefährten erinnern an den verstorbenen Meister - mit einem langen kollekiven Schweigen.
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Als er starb, war es noch hoher Sommer. Robert Wilson hat am 31. Juli in Watermill, Long Island, mit 83 Jahren diese Bühne verlassen. Doch nun, in der Winterzeit, treffen sich Freunde und Mitarbeiter und sein Publikum zu Memorials in den Städten, die für ihn von besonderer Bedeutung waren. Das Pariser Théâtre de la Ville, das Piccolo Teatro in Mailand und die Brooklyn Academy of Music werden den großen Meister ehren. Er hat diese Begegnungen, die sein Netzwerk nachzeichnen, in seinen letzten Wochen noch selbst entworfen.
Den Auftakt macht Berlin. Akademie der Künste am Hanseatenweg: Hier stand er mit Werken von John Cage und Samuel Beckett im Rampenlicht. Berlin war Wilson seit den späten 1970er Jahren künstlerische Heimat, zunächst an der Schaubühne, dann am Berliner Ensemble und am Hebbel Theater, woran die damalige Intendantin Nele Hertling erinnert. In der Akademie fand er im ersten Corona-Jahr eine kreative Bleibe, als ihm die Rückkehr in die USA verwehrt war.
Das große Schweigen
Robert Wilson hat sich für das Gedenken etwas gewünscht, das nicht existiert. Stille. In seinem Buch „Silence“ schrieb John Cage: „Es gibt keinen leeren Raum oder leere Zeit. Es gibt immer etwas zu sehen, etwas zu hören.“ Schweigen, selbst wenn wir es versuchen, sei nicht möglich. Und doch: Wilsons Magie wirkt über den Tod hinaus. Bald siebenhundert Menschen im ausverkauften Auditorium der Akademie versenken sich im Schweigen. Eine halbe Stunde lang.
Es ist eine außergewöhnliche Erfahrung. Es ist still, man hört nur den Nachbarn atmen und gelegentlich ein Husten. Der Saal versenkt sich gleichsam in sich selbst. Und es fühlt sich gut an, dieses Schweigen. Es hat etwas Kathartisches, Lösendes. So ist Bob, wie ihn alle nannten, bei seinen Lectures auf die Bühne gekommen. Er stand da wie ein Baum im Sturm, der sich legt, und schwieg. Er sammelte sich, zwei, drei Minuten oder länger. Das Publikum hat dieses meditative Geschenk gern angenommen, überall auf der Welt.
Traum und Spiele
Schweigen. So fällt es gar nicht schwer. Jetzt kommt der Schauspieler Christopher Nell auf die Bühne, singt mit hoher, zarter Stimme ein Lied aus Wilsons „Moby Dick“ vom Düsseldorfer Schauspielhaus. „’Cause if I dream it maybe it will happen.“ Robert Wilson inszenierte Traumspiele. Christopher Nell, der auch mit dem Regisseur Herbert Fritsch unglaublich tolle Sachen gemacht hat, erinnert an Wilsons Generosität, an seine Gabe, Künstler zusammenzubringen und die Künste zusammenzuführen - Tanz, Oper, Schauspiel, Design, Sprache.
In Sofia läuft jetzt wieder sein Shakespeare, „The Tempest“, in Litauen sein „Dorian“, in Luxemburg sein „Pessoa“ und in Düsseldorf bald wieder auch der legendäre „Sandmann“. Wilson hinterlässt ein Universum.
Gleichermaßen hat er ältere Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Schatten ins Licht geholt, wie er junge Leute entdeckt und gefördert hat. Das war nicht immer leicht. Angela Winkler erzählt beim Memorial in der Akademie, wie sie zusammenkamen, wie sie sich, in ihrer Spontaneität und Sprunghaftigkeit, an seine konzentrierte, scheinbar formalisierte Arbeitsweise gewöhnen musste. Und es lieben lernte. Wie ihre Tochter Nele, selbst Schauspielerin, Bob in seinem ewigen Jetlag bei der Probe Kraft spendete.
Lange wird man sich an diese Stunde am Hanseatenweg erinnern. Bob Wilson und sein Sound of Silence. Christopher Nell erzählte von seinem inneren Kind, das hier sprechen wollte. Da liegt ein Schlüssel zur Kunst des Robert Wilson. Er schuf Bilder und Räume, in die man gern eintrat, über die Jahrzehnte immer wieder, und die ein Geheimnis bewahrten.
Das gemeinsame Schweigen wirkt noch am nächsten Tag fort. Es fühlt sich an ein Akt des Widerstands und der Selbstbestimmung. Bob Wilson hat das mit langer, ruhiger Hand in Szene gesetzt.
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