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Münchner Raubkunst-Affäre spitzt sich weiter zu: Bayerische Staatsgemäldesammlungen unter Druck
Interne Papiere belegen, dass es auch innerhalb der Museen seit langem eine große Unzufriedenheit mit der Provenienzforschung gibt.
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Die Affäre um den problematischen Umgang der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen mit NS-Raubkunst spitzt sich zu. Was vor knapp zwei Wochen seinen Höhepunkt erreicht zu haben schien mit der Verhandlung vor dem Landtag und der fadenscheinigen Entschuldigung des Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume (CSU), findet eine weitere Fortsetzung. Jetzt gerät der Generaldirektor der Gemäldesammlungen, Bernhard Maaz, in den Fokus der Kritik.
An die „Süddeutsche Zeitung“ geleitete Papiere legen nahe, dass es intern seit langem eine große Unzufriedenheit mit dem Procedere der Provenienzforschung gibt. Das 2022 verfasste, mehrseitige Memorandum der beiden Stellvertreter an den Generaldirektor ist jedoch offensichtlich nie abgeschickt worden; das Dokument habe ihn nie erreicht, erklärte eine Sprecherin.

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Die Münchner Affäre begann mit einer durchgestochenen Bilderliste der Staatsgemäldesammlungen, auf der 200 rot markierte Werke standen – eine Kennzeichnung, die in der sonstigen Praxis des bundesweit eingesetzten Tools „MuseumPlus“ für Raubkunst steht, in Bayern jedoch nur als Verdachtshinweis gilt. Auch wenn sich die Liste als veraltet herausgestellt und das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste signalisiert hat, dass die Münchner Form statthaft ist, besteht für 97 Werke ein weiterhin erhöhter Aufklärungsbedarf.

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Zurück bleibt die offensichtlich berechtigte Sorge der Nachfahren jüdischer Sammler, dass sie nicht genügend informiert wurden über Forschungsergebnisse, dass Kontaktaufnahmen unterblieben und mögliche Rückgaben verschleppt wurden. All das, wofür sich die öffentlichen Museen mit den „Washingtoner Prinzipien“ eigentlich verpflichtet haben.
Nachfahren der jüdischen Sammler sind besorgt
Das der „SZ“ nun geleakte Memorandum bestätigt die ungenügenden Zustände bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erneut: Seit einem sogenannten Erstcheck vor fünf Jahren von insgesamt 6000 in Frage kommenden Werken wäre ein Sechstel genauer zu untersuchen gewesen, eine Priorisierung aber unterblieb. Statt die problematischen Fälle vorzuziehen, ausgestellte Werke, kunsthistorisch bedeutsame, wurden leichtere vorgezogen.
Für die Erben erhärtet sich damit erneut der Verdacht, dass die Staatsgemäldesammlungen mit ihren bisherigen Restitutionen öffentlichkeitswirksam auf Nebenschauplätze ausweichen. Darüber hinaus kritisieren die beiden Stellvertreter des Generaldirektors in dem Schreiben die Veröffentlichungsform der Forschungsergebnisse, die sogar bei Mitarbeitern für Irritation sorgt.
Das größte Problem aber ist der Personalmangel: für Hunderte Werke nur eine „Dame“, wie Kulturminister Markus Blume vor dem Landtag die verantwortliche Provenienzforscherin geziert bezeichnete. Ihr anderthalbköpfiges Team soll nun um zwei Stellen aufgestockt werden. Darüber hinaus versprach Blume die Einrichtung einer Taskforce, um die Provenienzforschung an den Staatsgemäldesammlungen zu intensivieren.
Ist also der Generaldirektor der Schuldige? Das insinuierte Markus Blume mit seiner flammenden Rede vor dem Landtag, mit der er sich von jeder Verantwortung freizusprechen suchte. Allerdings sind ihm als Minister die Gemäldesammlungen nachgeordnet. Er entscheidet über Restitutionen und ob strittige Fälle vor die Beratende Kommission kommen, er stellt Mittel und Personal zur Verfügung. Ihm ist höchstens zugute zu halten, die Strukturen von seinen beiden Amtsvorgängern übernommen zu haben.
Die Fehler zurückzuweisen und sich in einer Volte zu entschuldigen, überzeugt nicht. Schon wird spekuliert, dass sich Blume damit für das Amt des nächsten Kulturstaatsministers empfohlen hat. Das mag erstaunen – aber gilt nicht auch Kultursenator Joe Chialo mit seinen fragwürdigen Radikalstreichungen in der Berliner Kultur als vielversprechender Kandidat?
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