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Sackgasse Hamburger Bahnhof. Das Museum für Gegenwart in der Invalidenstraße gehört einem privaten Investor.

© Jens Kalaene/dpa

Museum für Gegenwartskunst in Gefahr: Monika Grütters will durch Kauf den Hamburger Bahnhof sichern

Nach den Rieck-Hallen könnte auch der Hamburger Bahnhof für die Kunst verloren gehen, denn er gehört einem privaten Investor.

Kunsthauptstadt Berlin war gestern, könnte man meinen: Die Künstler werden aus ihren Ateliers verdrängt, die Sammler verlassen die Stadt, die Rieck- Hallen des Hamburger Bahnhofs – knapp die Hälfte seiner Ausstellungsfläche – werden abgerissen. Und nun steht auch noch der Hamburger Bahnhof, Berlins Museum für Gegenwartskunst, zur Disposition. Das Gebäude gehört seit 2007 der Wiener Immobilienfirma CA Immo, die es von der Bahntochter Vivico Real Estate GmbH erwarb.
Dass die Wiener nicht zimperlich sind, bewiesen sie Ende April mit dem für 2021 angekündigten Abriss der 300 Meter langen Rieck-Hallen, in denen bisher die Sammlung von Friedrich Christian Flick untergebracht war. Der zog die Konsequenz und gab seinerseits bekannt, sich mit seiner Kunst aus Berlin in die Schweiz zurückziehen. Besteht da nicht die Gefahr, dass genauso unsentimental mit dem Haupthaus, der historischen Bahnhofshalle und dem Kleihues-Anbau, umgesprungen wird? Eine weitere schicke Shoppingmall nur mit nostalgischem Touch ließe sich tadellos vorstellen. Die CA Immo ist darauf spezialisiert.

Im Bebauungsplan ist Kulturnutzung festgeschrieben, aber nicht Kunst

Doch nach dem Aufschrei über den Abriss der Rieck-Hallen, die weiteren mediokren Neubauten weichen müssen, wie sie schon bis auf wenige Meter ans Museum herangrückt sind, hat die Wiener Immobilienfirma Kreide gefressen. Der Kunstauftrag des Hamburger Bahnhofs sei „eine tolle Bereicherung für unser Quartier“, sagte ein Sprecher von CA Immo, die Kulturnutzung des Hauptgebäudes ohnehin im Bebauungsplan festgeschrieben. Beruhigend klingt das trotzdem nicht, denn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist nicht einmal regulärer Mieter, sondern zahlt nur eine „Gebühr“. Ebenso könnte jegliche andere Kultur einziehen, die Kunst muss es nicht zwingend sein.
Da hilft nur der Rückkauf durch den Bund. Kulturstaatsministerin Monika Grütters beeilte sich sogleich mit der Ankündigung, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) den Erwerb des Hamburger Bahnhofs anstrebe, um ihn für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Mieter zu sichern. „Regierungsseitig befinden wir uns in sehr konstruktiven Gesprächen dazu mit der CA Immo,“ sagte ein Sprecher der Kulturstaatsministerin dem Tagesspiegel. Das aber hätte man wahrlich früher haben können. Für die Invalidenstraße 50/51 bestand ein Vorkaufsrecht des Landes Berlin, wie die Vivico 2003 auf Nachfrage beim Bezirksamt Mitte erfuhr. Gebrauch machte es davon nicht. Vier Jahre später ging der Hamburger Bahnhof samt dem mehrere Hektar großen umgebenden Gelände in den Besitz der CA Immo über und war damit endgültig perdu.

Der Hamburger Bahnhof braucht den neuen Anbau als Perspektive

Wie gefährlich die Lage jetzt schon für den Hamburger Bahnhof ist, ohne dass eine Kündigung durch die CA Immo ausgesprochen wäre, zeigt sich am bereits verlorenen Raum. Als der Abriss der Rieck-Hallen nicht mehr zu verhindern war, ließ sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz im letzten Moment auf einem Teilgrundstück am Südende der historischen Halle als Alternative einen mehrgeschossigen Anbau entwerfen, der die in die Länge gezogenen Hallen in die Höhe verlegt. Flick lehnte dankend ab, er hatte sich für den Abschied aus Berlin bereits entschieden. Der Hamburger Bahnhof aber braucht auch ohne die Flick-Collection diese Ausstellungsflächen, um andere Sammler an sich binden zu können und der Kunst des 21. Jahrhunderts weiterhin angemessen Raum zu bieten. Das Museum des 20. Jahrhunderts, das am Kulturforum noch nicht einmal steht, bereit genug Probleme.
Die Zeit drängt, denn mit dem Baubeginn für die Nachfolgebauten auf dem Rieck-Gelände in zwei Jahren muss die Planung für den Erweiterungsbau des Hamburger Bahnhofs stehen, sonst hat er keine Chance mehr. Und noch eine Uhr tickt. Das historische Gebäude muss dringend saniert werden. Das lohnt sich für die Preußenstiftung nur, wenn die Immobilie gesichert ist.

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