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Nan Goldin übt Kritik an Israels Genozid an den Palästinensern.

© IMAGO/Matthias Reichelt/IMAGO/Matthias Reichelt

Nan Goldin im Clinch mit der Neuen Nationalgalerie: Museum weist Zensur-Vorwurf zurück

Turbulente Eröffnung, friedliches Symposium, die Künstlerin inszeniert sich als Opfer. Die Ausstellung „This Will Not End Well“ trägt schwer am Nahostkonflikt.

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Keine Woche, nachdem das Symposium „Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung. Diskussionsraum zum Nahostkonflikt“ am Tag nach der turbulenten Eröffnung von Nan Goldins Ausstellung glimpflich über die Bühne gegangen ist, gibt es erneut Aufregung um die amerikanische Fotografin.

In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ erhebt die Künstlerin schwere Vorwürfe gegen die Neue Nationalgalerie und insbesondere gegen Direktor Klaus Biesenbach – bis hin zur Zensur. Der Ausstellungstitel „This Will Not End Will“ scheint seine bedrohliche Aussagekraft zu bewahren. Ganz offensichtlich will Nan Goldin das letzte Wort behalten.

Schon im Vorfeld hatte sich die Künstlerin darüber beklagt, das Symposium verfolge vor allem den Zweck, ihre propalästinensische Haltung einzuhegen. „Sie haben mich benutzt. Es war ihr Weg zu beweisen, dass sie meine Positionen nicht teilen“, wird Goldin nun noch einmal deutlich.

Pro-palästinensische Demonstranten stehen vor der Ausstellungseröffnung „This Will Not End Well“ mit einem Banner mit der Aufschrift „Staatsräson ist Genozid“ vor der Neuen Nationalgalerie.

© dpa/Fabian Sommer

Womit die 71-Jährige durchaus recht hat. Die Ausstellung einer erklärten BDS-Unterstützerin bringt ein staatlich finanziertes Museum in die Bredouille. Biesenbach bewies Mut, die Künstlerin trotzdem zu zeigen und ihr am Eröffnungsabend die Möglichkeit zu einer Ansprache zu geben, die erwartungsgemäß kontrovers ausfallen würde. Die Folge: Aktivisten drängten in die Vernissage und schrien Biesenbachs Erwiderung auf Goldin zunächst nieder.

Rückblickend nennt die Künstlerin die Replik des Nationalgalerie-Direktors abfällig „seine Litanei (…) - um die Machthaber zu beschwichtigen“. Der Bruch mit ihm als einstigem Mitglied ihrer „chosen family“, als das sich Biesenbach in seiner Eröffnungsrede noch nostalgisch wähnte, ist damit endgültig vollzogen. Die Ausstellung sei für sie ohnehin zweitrangig gewesen, so Goldin. Nur wegen der Rede habe sie nicht abgesagt, diese diente ihr als „Test“.

Kulturstaatsministerin Roth mochte ihre Ansprache anschließend „unerträglich einseitig“, Kultursenator Joe Chialo „geschichtsvergessen“ nennen. In den sozialen Medien aber fand sie großen Zuspruch. In Goldins Logik müsste Berlin den Test damit bestanden haben. Womöglich besteht darin auch der Grund, warum die Künstlerin nun die Nationalgalerie der Zensur bezichtigt, um weiterhin das Bild von der Meinungsunterdrückung bedienen zu können.

Im „FR“-Interview erklärt sie, gezwungen worden zu sein, ein nachträglich am Ende der Diashow „The Ballad of Sexual Dependency“ eingebrachtes Bild wieder herauszunehmen. Es sollte im Anschluss an ein Dia zum Gedenken an ihre verstorbenen Freunde stehen mit der Aufschrift „In Solidarität mit den Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Libanon. Und mit den israelischen Zivilisten, die am 7. Oktober getötet wurden“.

Die Nationalgalerie reagierte auf den Vorwurf prompt mit einem Statement. Den zweiten Satz habe es nie gegeben, wie auch ein Foto des zwei Tage vor Ausstellungseröffnung entdeckten Dias beweist, das ohne Rücksprache hinzugekommen war: „Die sensiblen Inhalte wurden mit dem Team von Nan Goldin besprochen. Danach entfernte das Studio Nan Goldin das Dia wieder.“

Die Künstlerin wird ihr Narrativ von Zensur vermutlich trotzdem aufrechterhalten, ebenso wie sie die vom „Archive of Silence“ erhobene Zahl gecancelter Künstler und Kulturschaffender („über 180“) nachbetet. Viele der auf der Website aufgeführten Fälle halten dem Vorwurf nicht stand, sie bedienen eine Propaganda. Und dennoch: Einer der jüngsten ist die ausgesetzte Verleihung des Karlsruher Schelling Architektur-Preises an den britischen Künstler James Bridle, weil er zum Boykott israelischer Kultureinrichtungen aufgerufen hatte.

Die Neue Nationalgalerie hielt dagegen dem durch die Antisemitismus-Resolution des Bundestages erhöhten Druck stand und blieb bei Nan Goldins Ausstellung, auch um als Beispiel für andere Kulturinstitutionen voranzugehen. Die Künstlerin dankt es dem Museum schlecht. Man könnte sagen: Nan Goldin hat den Test nicht bestanden. Ihr geht es um Selbstinszenierung.

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