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Hecken was aus: Giancarlo Esposito als Bankräuber-Chef Leo Pap (Mitte) mit seinem Spezialisten-Team. 

© COURTESY OF NETFLIX

Netflix-Serie „Kaleidoskop“: Befreit die Streamingfans!

Netflix startet das Serienjahr mit einem sehenswerten Experiment. Bei „Kaleidoskop“ sind die Episoden in beliebiger Reihenfolge zu sehen.

Mit der Regie der Gebrüder Lumière ging es los. Seit ein von der Leinwand entgegen kommender Zug in einem Pariser Kino 1895 die Zuschauer vor Panik aus den Stühlen gerissen haben soll, weil er die Besucher zu überrollen schien, gab es zahlreiche Versuche, Narration und Rezeption von Filmen und Serien zu verfeinern. Die Lust auf veränderte Sehgewohnheiten. Hitchcock drehte seinen „Cocktail für eine Leiche“ (scheinbar) ohne Schnitt, Christopher Nolans Film „Memento“ erzählte die Geschichte von hinten nach vorne. Was Netflix mit der Serie „Kaleidoskop“ nun zum Jahresstart ins Regal stellt, betritt zumindest mal Serien-Neuland.

Gar nicht so sehr wegen des Plots, der an den Kino-Blockbuster „Ocean’s Eleven“ oder auch die erfolgreiche Netflix-Serie „Haus des Geldes“ erinnert. Es geht wieder um einen Raubüberfall. „Kaleidoskop“ („Kaleidoscope” im englischen Original) hat einen speziellen Twist, mit einem besonderen Narrativ.

Jede der acht Folgen ist mit einer Farbe (grün, gelb oder lila) betitelt und beleuchtet eine Episode in Bezug auf einen Raub und die Diebestruppe, die ihn durchführt. Eine Art Anthologie, die in den einzelnen Folgen den Zeitraum von 24 Jahren vor bis 6 Monate nach dem Überfall ablichtet. Indem man auf unterschiedliche Wege zum Finale der Serie gelangt, soll sich der Ablauf und die Wirkung der Geschichte für jeden Zuschauer ganz individuell entfalten.

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Das mag beim ersten Anschauen manieriert und überkomplex klingen, zieht aber schnell in seinen Bann. Bei Nolans „Memento“ gibt es zwei Handlungsstränge, von denen jeweils einer in der korrekten (Szenen in Schwarz/Weiß) und einer in entgegengesetzt chronologischer (Farbe) Reihenfolge der Szenen abläuft. So komplex ist „Kaleidoskop“ bei weitem nicht.

Hier setzt sich die Geschichte nach Sichtung aller acht Folgen wie ein Puzzle zusammen, da in den einzelnen Episoden unterschiedliche Perspektiven der Protagonisten voran gestellt werden.

Nie mehr von Folge 1 bis 8?

Da ist der gerade aus dem Gefängnis ausgebrochene Leo Pap (Giancarlo Esposito), dessen Tage durch seine Parkinson-Krankheit gezählt zu sein scheinen. Er will es mit einem Raubüberfall samt verheißungsvoller Beute von sieben Milliarden Dollar noch mal wissen. Da ist der Gegenspieler Roger Salas, der einen Tresor mit einem scheinbar nicht zu knackenden Sicherheitssystem ausgestattet hat. Da ist Paps Tochter, die in Salas Firma arbeitet.

Da ist ein Team von durchgeknallten Spezialisten, welches Pap in seinen gewagten Plänen (fast) blind folgt und eine suchtabhäniger FBI-Ermittlerin, die nahe dran ist an der Gaunerei. Viel Konfliktstoff, zudem Pap mit Salas noch eine alte Rechnung zu begleichen hat.

Ausgedacht hat sich das Eric Garcia, Autor des Romans „Tricks“, auf dem die gleichnamige Tragikomödie mit Nicolas Cage basiert. Garcia hat mehrere Episoden-Drehbücher verfasst. Er ist, neben David W. Zucker („The Good Wife“) und Regie-Star Ridley Scott einer der ausführenden Produzenten. Inspiriert wurde die Geschichte von wahren Ereignissen, als während eines Hurrikans in Manhattan 70 Milliarden Dollar verschwanden. Als Ursache wurde angenommen, dass die Geldscheine sich im Wasser aufgelöst hätten. Netflixs Showrunner haben daraus ihre eigene Geschichte gesponnen. 

Inspirierend ist vor allem das nicht-lineare Serienkonstrukt. Eine willkommene Abwechslung im oft abgekupferten Serien-Mus, eine Herausforderung für Autoren und Zuschauer, mit hochkarätiger Besetzung. Neben Esposito („Breaking Bad“) ist das vor allem  Tati Gabrielle („The 1OO“) als Paps Tochter.

Eine Befreiung für Streamingfans, aus der Zwangsjacke des linearen Serienguckens? Nicht ganz. Das Staffelfinale, der Überfall (Episodenfarbe: Weiß!) wird – bei aller Lust auf Zeitsprünge und veränderte Sehgewohnheiten – dann doch auch zuletzt geschaut werden. Und natürlich geht es bei dieser Story, wie bei so vielen seit 1895, um Freundschaft, Loyalität, Vertrauen und Verrat. Man kann sich berieseln lassen vom coolen Sound und Style der Serie. Vom größten Banküberfall der Welt. Panik muss man vor dieser Art Narration nicht haben. „Kaleidoskop“ ist am Ende einfach auch – guter Serienstoff.

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