
© ARD Degeto/Odeon Fiction GmbH/St
Neuauflage der Kultserie: Kreuzberg hat wieder einen Liebling
1998 lief die letzte Folge von „Liebling Kreuzberg“ mit Manfred Krug als Anwalt Robert Liebling. Jetzt tritt seine Enkelin Lisa in die Kanzlei ein – und aus der Serie wird ein Film.
Stand:
Der Freitagabend in der ARD hat ein klares Selbstverständnis. Die 90-Minüter auf diesem Programmplatz sollen das Fernsehpublikum ins Wochenende hineinbegleiten, bieten Feelgood, Wellness, Sanftes bis Seichtes.
Aber ist dieses Umfeld für einen Fernsehfilm, der auf den Motiven und Figuren der Kultserie „Liebling Kreuzberg“, die zwischen 1986 und 1998 im Ersten lief, beruht, tatsächlich geeignet? Der Anfang von „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ spricht direkt aus, was zu erwarten ist. Lisa Liebling (Luise von Finckh), die Enkelin von Anwalt Robert Liebling mit vertraglich geregeltem Partnerschaftsanspruch auf seine ehemalige Kanzlei, sagt der auf lukrative Wirtschaftsmandate fixierten Chefin Talia Jahnke (Gabriela Maria Schmeide), was künftig Sache ist. Die Kanzlei soll wieder im Geist von Robert Liebling arbeiten: als eine „Anlaufstelle für alle in Kreuzberg, die Hilfe brauchen“.
Die spezielle Kreuzberger Mischung im Jahr 2024
Ist mal eine Ansage und macht klar, wohin sich Kanzlei und Film bewegen. Eine Neuinterpretation der „Liebling Kreuzberg“-Mission im Geiste der Bücher von Jurek Becker und des 2016 verstorbenen Manfred Krug, der eine besondere Kiez-Mischung aus Bohemien, gewieftem Anwalt und Menschenfreund darstellte.
Die Erinnerung daran darf schon mitschwingen, die neue Seherfahrung aber nicht überlagern und permanent zum Vergleich herausfordern.
Kreuzberg hat sich stark gewandelt, das gepflegte Anderssein-Milieu ist weitgehend gentrifiziert, kaum ein Hinterhof, in dem nicht Grün nach Demeter-Regeln aufgezogen wird. „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ nimmt das auf, die juristischen Konflikte und Fälle reflektieren die heutige Gemenge- und Gesellschaftslage. Verdrängung, Armut, Rassismus, Diversität, Ärger mit den Eltern, unterschiedliche Wertvorstellungen – und das ist nicht alles, was Autor Andrej Sorin an Themen in die 90 Minuten untermischt.

© dpa/Nestor Bachmann
Gleich der erste Fall, den Lisa – natürlich pro bono – anschleppt, ist ein Rentner (Wilfried Glatzeder), der gerichtlich gegen das Hausverbot in seinem Lieblingscafé vorgeht. Aber das eigentliche Zentrum ist die Kanzlei, wo sich die beiden Partnerinnen zusammenraufen müssen. Die Auseinandersetzungen werden mit allerlei Händel, mit mancher List und einiger Tücke ausgetragen. Der Zwist geht sogar so weit, dass Thalia Jahnka Lisa Liebling anbietet, sie auszubezahlen.
Kreuzberger Originale und altbekannte Gesichter
Der Film nimmt dramaturgisch bekannte Muster aus der Serie auf. Und der Autor sowie Regisseurin Franziska Hoenisch ziehen geschickt Verbindungslinien zwischen Robert Liebling und seiner Enkelin. Auf dem Dachboden des Hauses, in dem die Kanzlei unverändert residiert, findet Lisa Kassetten, die ihr Großvater besprochen hatte. Was er ihr zu sagen hat, gibt der jungen Juristin Selbstvertrauen vor dem ersten Prozess: „Angst ist nur eine vorübergehende Existenzform.“ Hommage an den Serienklassiker eben.
„Kanzlei Liebling Kreuzberg“ kommt gut in die Kurve und kommt ohne Peinlichkeit wieder heraus, was nicht zuletzt am neuen Ensemble liegt. Mit Luise von Finck und Gabriela Maria Schmeide als Doppelspitze, Wilfried Glatzeder als Kreuzberger Original und der Rückkehr von Lieblings Tochter Sarah (Roswitha Schreiner) und der Rechtsanwaltsgehilfin Senta Kurzweg (Anja Franke) häuft der Film bei allem Sentiment auch keinen überflüssigen Gefühlsmüll an.
Bleibt die Frage: Taugt die Fortsetzung, genauer gesagt: die Neuinterpretation, dazu, in Serie zu gehen? Wenn „Kanzlei Liebling Kreuzberg“ an Ecken und Kanten, sprich: an mehr Kreuzberg zulegt, dann gerne. Kuschelnischen hat die ARD am Freitag schon genug im Programm zu bieten.
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