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Roman Polanski und seine Hauptdarstellerin Emmanuelle Seigner.

© Carole Bethuel / Studiocanal

Neuer Film von Roman Polanski: Eine fatale Freundschaft

Kann man Person und Werk trennen? Der wegen Vergewaltigung angeklagte Roman Polanski, MeToo und sein Psychothriller „Nach einer wahren Geschichte“.

Roman Polanskis erster englischsprachiger Film „Ekel“ ist ein halbes Jahrhundert alt, er entstand 1965. Darin verbarrikadiert sich Catherine Deneuve als traumatisierte Maniküre in ihrer Wohnung, entwickelt Wahnvorstellungen und tötet zwei Männer, die sie bedrängt haben.

Wahnsinn und Gewalt beschäftigen den Regisseur seit über 50 Jahren. Als Fiktion in seinen Filmen, in denen er sich – wie in „Der Mieter“ oder „Rosemaries Baby“ – mit Identitäts- und Realitätsverlust auseinandersetzt. Und in der Realität, in der er als in Paris geborener und in Krakau aufgewachsener Holocaustüberlebender und später in den USA als Ehemann des Manson-Opfers Sharon Tate mit unfassbaren Verbrechen konfrontiert war. Polanski, das vielfache Opfer, wurde jedoch auch zum Täter: 1977 hatte er Sex mit einer 13-Jährigen. Er wurde wegen Vergewaltigung angeklagt, saß in Untersuchungshaft, entzog sich jedoch dem Prozess. Eine weitere Anklage wegen einer Vergewaltigung, die sich 1972 ereignet haben soll, wird seit dem letzten Jahr verhandelt.

Den Oscar für die beste Regie, mit dem der Regisseur 2003 für „Der Pianist“ ausgezeichnet wurde, konnte er nicht persönlich entgegennehmen. Polanski saß weder nach der Oscar-Nominierung für „Tess“ 1981 fiebernd im Dorothy-Chandler-Pavillon in Los Angeles noch 2010 im Berlinale-Palast, als sein Film „Der Ghostwriter“ den Silbernen Bären für die Beste Regie gewann. Denn seit er nach einer kurzen Untersuchungshaft 1977 aus den USA floh, betritt er weder den Boden der Vereinigten Staaten, wo ihm noch immer ein Verfahren droht, noch reist er in andere Länder, die ihn möglicherweise ausliefern könnten.

Polanski hält MeToo für „Massenhysterie“

Bei seinem neuen Film „Nach einer wahren Geschichte“, der jetzt in die deutschen Kinos kommt, erübrigt sich die Frage einer Oscar-Nominierung genauso wie für alle noch folgenden Werke. Der 84-jährige Regisseur wurde vergangene Woche offiziell aus der Oscar-Academy ausgeschlossen, genauso wie Bill Cosby, der sich kürzlich des sexuellen Übergriffs für schuldig erklärt hatte.

Dass Polanski bei einem gerichtlichen Einigungsversuch 1977 sein von der Anklage inzwischen reduziertes Vergehen eines „außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen“ eingestand, hat die Academy bisher nicht bei ihren Entscheidungen gestört. Der Ausschluss des Regisseurs ist offenbar eine direkte Reaktion auf den Weinstein-Skandal und die neue öffentliche Sensibilität bei Übergriffen und Machtmissbrauch. Sein Anwalt will nun versuchen, juristisch gegen den Ausschluss vorzugehen – und Polanski selbst spricht in Zusammenhang mit MeToo von „Massenhysterie“ und „Heuchelei“.

Die Academy möchte den Vorwurf, sexuelle Gewalt in ihren Reihen zu dulden, jedenfalls nie wieder hören. Damit eröffnet sie eine so relevante wie schwierige Diskussion: Wäre Polanski damals in den USA verurteilt worden und hätte seine Strafe abgesessen, hätte er dann als Regisseur in Amerika weiterarbeiten dürfen und wäre Academy-Mitglied geblieben? Oder darf eine solche Tat nie verziehen werden? Kann man Kunst unabhängig von der Person des Künstlers betrachten? Eine komplexe, auch persönliche Frage, ebenso wie die, ob man sich Polanski- Filme überhaupt noch unvoreingenommen anschauen kann.

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„Nach einer wahren Geschichte“ erweist sich zunächst als routinierter Polanski-Film mit einem für den Regisseur typischen Sujet: Die Erfolgsschriftstellerin Delphine (Emmanuelle Seigner) hat just ihren neuen Roman veröffentlicht und darin mit ihrer Familie abgerechnet. Ausgelaugt von der Arbeit und den Erwartungen ihrer vor allem weiblichen Fans, die für einen Blick auf ihr Idol gern Schlange stehen und gegenüber der sensiblen Autorin stante pede ihr Herz ausschütten, zieht sie sich immer mehr zurück. Da kommt ihr Elle (Eva Green), eine junge Frau, die sie bei einer Signierstunde trifft, gerade recht. Elle ist mutig, schön und fürsorglich, sie kümmert sich um die überforderte Autorin. Schnell entwickelt sich eine enge Frauenfreundschaft.

Elle übernimmt nicht nur Delphines Korrespondenz, sie ändert sukzessiv ihr Aussehen, passt sich Delphine immer mehr an, fährt statt ihrer zu Lesungen. Aus der Freundin wird eine Doppelgängerin. Und wie bei „Weiblich, ledig, jung sucht“ und anderen Werken zum gleichen Thema eskaliert die ungesunde Beziehung schneller, als man „Grenze“ sagen kann. „Elle“, angeblich eine Abkürzung für Elizabeth, bedeutet schließlich nicht umsonst „sie“. Sie, die Andere.

Aus psychologischem Porträt wird blutiger Psychothriller

Dass Polanski fasziniert ist von der Suche nach Identitäten und dem Ursprung der Ideen – auch damit spielt der Regisseur, wie in seinem letzten Film „Venus im Pelz“ –, ist in dieser Adaption eines Romans von Delphine de Vigan mit Händen zu greifen. Wie immer ist ihm jedes Detail wichtig: Wenn seine Protagonistin aus der Dusche kommt und sich mit nassen Haaren an den Schreibtisch setzt, sieht man die Wasserspuren auf dem Bademantel; die äußerlichen Veränderungen der beiden Frauen hat er profund herausgearbeitet. Polanskis Ehefrau Seigner, die bereits mehrfach in seinen Filmen auftrat, spielt die in der selbst gewählten Isolation immer unsicherer werdende Starautorin mit gewohnt somnambulen Blick und in leicht gebückter Haltung. Auch Eva Green, deren Unnahbarkeit stets ein Hauch „Gothic“ anhaftet, ist eine schöne fiese Böse.

Dennoch mangelt es dem fatalen Verhältnis zwischen den Protagonistinnen an Glaubwürdigkeit – zu wenig subtil und zu schnell verrutschen die Realitäten, zu oft hat man die Geschichte bereits gesehen. Im Gegensatz zu der instabilen, langsam zerbrechenden Heldin, wie Polanski sie etwa in „Ekel“ inszenierte, entwickelt sich der folgenschwere Tanz zwischen der Autorin und ihrer Doublette innerhalb von Minuten. Viel zu früh wird aus dem psychologischen Porträt ein bemüht blutiger Psychothriller mit dem Motiv des wahnsinnigen Stalker-Fans nach dem Vorbild von Stephen Kings „Misery“. Und mit einem Ende, das verpufft.

In Cannes durfte Polanski den Thriller 2017 als Abschlussfilm zeigen und erntete Kritik. Allerdings hatte die mit dem Film zu tun, nicht mit dem Menschen. In der europäischen Rezeption scheint man sich entschieden zu haben, Mann und Werk zu trennen – vorerst zumindest.

Ab Donnerstag in neun Berliner Kinos. OmU: Bundesplatz, Kulturbrauerei

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