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Die Berliner Rapperin Ebow kam 1990 in München zur Welt und wuchs dort auch auf.

© Nikolas Petros Androbik

Neues Album von Ebow: Willkommen im Lesben-Club

Auf ihrem Album „FC Chaya“ erzählt die Berliner Rapperin Ebow ihre Coming-out-Geschichte, feiert queere Liebe und traut sich häufiger zu singen als früher. Auch der Neunziger-Sound überzeugt.

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Schon im Kindergarten, vielleicht sogar im Kinderwagen, wusste Ebru Düzgün, dass sie auf Mädchen und nicht auf Jungs steht. Als ihr klar wurde, dass die anderen Kinder das eklig finden und wohl auch die Familie nicht begeistert ist, betete sie zu Gott, sie zu heilen. Doch es änderte sich nichts – und so fand sich die kleine Ebru mit sieben Jahren allein im Badezimmer wieder, um sich die Pulsadern aufzuschneiden.

Weil sie dann doch unversehrt aus dem Bad kam, kann sie heute – rund 27 Jahre später – von diesem verzweifelten Tag berichten. „Ebru’s Story“ heißt der bewegende, mehr als fünfminütige Song, in dem die als Ebow bekannte Berliner Rapperin das tut. Er ist das Schlüsselstück auf ihrem gerade erschienenen vierten Album „FC Chaya“, das sie ihrem siebenjährigen Ich gewidmet hat.

Dieses Ich hätte sich niemals erträumt, dass es „seine Liebe so stolz nach außen tragen könnte, dass ich mich selbst für mich so sehr lieben könnte oder dass meine Familie mich trotz meiner Sexualität jemals lieben könnte“, schreibt Ebow auf ihrem Instagram-Profil neben einem Kinderfoto von sich.

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Und so erzählt der Coming-Out-Song der 1990 in München geborenen und dort in einer kurdischen Familie aufgewachsenen Ebow nicht nur von schlimmen Erlebnissen, sondern auch von unverhofften Glücksmomenten, etwa mit dem besten Freund, der ihr seine eigene Homosexualität offenbarte, oder mit ihrer Tante in Berlin, die schon längst begriffen hatte, was mit ihrer Nichte los war.

Baby, mein Baby ist so juicy / Dein Bootie macht mich zu nem Groupie.

Ebow im Song „Lesbisch“

Vor allem aber feiert „FC Chaya“ die Liebe zu den titelgebenden coolen, jungen Frauen. Willkommen im Club sagte schon die Vorab-Single „Lesbisch“, in der Ebow eine Frau beschreibt, die ambivalente Signale sendet: „Girl, ich check’s nicht / Du weißt doch, ich bin lesbisch / Doch du schreibst und du likest und dein Boyfriend ist hässlich Yeah, dein Boyfriend ist hässlich / Sag Bescheid, wenn du wegwillst / Sag Bescheid, wenn er dein Ex ist“.

Wie selbstbewusst hier mit dem Begriff „lesbisch“ umgegangen wird, der seinen Schimpfwort-Charakter immer noch nicht vollständig eingebüßt hat, ist beachtlich – zumal sich der Hip-Hop weiterhin schwertut mit dem Thema Queerness. Daran ändern auch Ausnahmen wie Nura oder letztlich für den Male-Gaze inszenierte Videos von Cardi B mit Megan Thee Stallion wenig.

Bereits auf dem letzten Album „Câne“ gab es queere Liebeslieder, doch dass Ebow lesbische Lust und Kultur so in den Mittelpunkt stellt wie jetzt, ist neu. So geht es in „Juicy“ und dem hitverdächtigen „Bodies“ ziemlich heiß und sexy zu, es wird getanzt, geschwitzt und der Hintern der Geliebten gepriesen. Immer wieder werden aber auch Zweifel und Konflikte angesprochen, die unter anderem aus dem Aufeinandertreffen verschiedener Identitätsaspekte resultiert. So heißt es in „Do Ya?“: „Und ja lebe in Berlin aber kein Bock auf poly / Bin queer und woke und trotzdem Kurdi/ Der Kanake in mir nervt mich manchmal selbst/ Zumindest bin ich ehrlich und sag, was mir gefällt.“

Ebow singt auf „FC Chaya“ deutlich mehr als auf früheren Werken, was ein großes Plus in dem stark vom Neunziger-R’n’B geprägten Klangbild ist. Produziert und komponiert hat es zum größten Teil wieder ihr langjähriger Weggefährte Walter p99 Arke$tra, mit dem Ebow auch im Projekt Gadaffi Gals zusammengearbeitet hat. Es ist eines ihrer besten Alben geworden, das lesbischste des Jahres sowieso.

Einen etwas zwiespältigen Schlusspunkt setzt Ebow allerdings mit „Free“. Denn in dem schon im vergangenen Mai als Single veröffentlichten Song – zunächst war er gar nicht als Albumtrack vorgesehen – macht sie ein völlig anderes Thema auf, spricht von palästinensischen, jüdischen und kurdischen Freunden, die alle verzweifelt sind, wendet sich gegen Polizeigewalt, erwähnt NSU und Hanau.

Im Refrain heißt es: „Free Kurdistan / Free Kongo / Free Sudan / Free Falastin / Free my people“. Dabei könnte das folgende „Sie sagen nie wieder / Doch es passiert wieder“ auch auf Israel gemünzt sein. Ohne „Free“ wäre „FC Chaya“ in sich stimmiger gewesen, der starke Gesamteindruck aber bleibt.

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