
© imago images/Müller-Stauffenberg
Neues vom Berliner Wohnungsmarkt: Dann doch lieber Enteignung!
Skrupellose Vermieter greifen in Berlin immer wieder zu drastischen Maßnahmen, um Menschen aus ihren Wohnungen zu verdrängen. Gegen diese Anschläge auf die Stadtkultur sollte die Politik etwas tun.

Stand:
Ob die Enteignung großer Wohnungsbauunternehmen die Wohnungsnot unserer Zeit lösen kann, ist zu Recht höchst umstritten. Aber es gibt Fälle, die jedenfalls meine Enteignungsskepsis infrage stellen. Das sind jene Hauseigentümer, die gut brauchbare Wohnungen gegen alle gesetzliche Pflicht oft jahrelang leer stehen und Häuser systematisch verfallen lassen oder gar herunterwirtschaften, die Mieter drangsalieren, Gewerbemieten über alle Maßen anheben und damit die Stadtwirtschaft ruinieren.
Kurz: Es geht um Skandale wie den um das Haus in der Habersaatstraße 48-44 gegenüber der BND-Festung an der Chausseestraße. Einst hatte der 1984 errichtete Bau 106 Wohnungen, wurde 2006 vom Berliner Senat für auch damals lächerliche zwei Millionen Euro verkauft. Der neue Eigentümer ließ das Haus mit Plastik-Fassadenisolierung und Photovoltaikanlage versehen. Hoch subventioniert und trotzdem mit Mietaufschlag.

© Teresa Roelcke
Er vermietete dann Teile des Baus als Hotel und für teures Kurzzeitwohnen. 2017 ging der Bau für 20 Millionen Euro an die Firma Arcadia Estates. Die unterlässt seitdem kaum etwas, um noch mehr Profit aus der Immobilie zu schlagen. Man wirbt übrigens im Internet schamlos mit dem Foto des palastartigen Bode-Museums für die Hochpreisprojekte. Frage: Weiß das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz?
Die Stadt lebt von der Mischung der Gesellschaft
Arcadia Estates reichte 2018 den Abrissantrag ein, will einen Neubau mit nur noch 91 Wohnungen und 46 Tiefgaragenplätzen errichten. Angesichts der Rechtslage wird der Bezirk kaum umhin kommen, ihn zu genehmigen – der von der Fachwelt verlangte weitgehende Abrissstopp ist ja bisher kein Gesetz. Vermietet sind inzwischen nach Medienangaben nur noch etwa 20 der 106 Wohnungen. 86 stehen also leer – wenn sie Arcadia Estates nicht für sattes Steuergeld an den Bezirk Mitte vermietet, um Obdachlose und Geflüchtete zu behausen. Die, selbstverständlich, keine ordentlichen Mietverträge kriegen.
Diese Bewohner wurde Arcadia Estates also vergleichsweise leicht los. Vergangene Woche räumte die Polizei auf richterliche Anordnung ihre Wohnungen. Aber am Freitagmittag rückten von der Firma beauftragte Männer an, traten nach Angaben von Bewohnern Türen ein, schubsten, zerschlugen Toilettenbecken. Die Männer behaupteten, dass sie Polizisten seien und einen Rechtstitel vollstreckten. Die Menschen müssten raus. Alles gelogen. Die echte Polizei schritt ein, die Männer werden angeklagt. Hoffentlich auch ihre Auftraggeber.
Nicht zuletzt ist solch ein Umgang mit Eigentum ein Anschlag auf die Stadtkultur Berlins, die von der Mischung der Gesellschaft lebt – und nicht davon, dass nur Reiche neben Reichen wohnen. Nichts, nicht einmal Hausbesetzer, entschuldigt solch ein Vorgehen, das die Sozialbindung des Eigentums mit Füßen tritt.
Dazu kommt noch das schlechte Licht, dass solche Firmen auf alle korrekten Vermieter wirft. Was spricht dafür, ihnen die Grundlage ihrer Übergriffe auf die Stadt und die Gesellschaft zu lassen, das Eigentum an Grund und Haus? Mir fällt nichts ein.
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