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Abgestempelte Deutsche Briefmarke 85 Cent, auf einem Briefumschlag

© imago/imagebroker/Torsten Krüger

Offener Brief an Merz: Leider ist das eine Form des billigsten Engagements

Und noch einmal über 160 Kulturschaffende mehr haben den Bundeskanzler per Unterschrift aufgefordert, auf Israel Druck auszuüben. Das ist alles sehr wohlfeil.

Gerrit Bartels
Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Stand:

Jetzt sind es also noch einmal über 160 Prominente mehr aus der Kultur, vor allem der Filmszene, die den vergangene Woche an Bundeskanzler Friedrich Merz adressierten offenen Brief unterzeichnet haben. Sie fordern, dass dieser doch mehr Druck auf Israel ausüben und die Waffenlieferungen an das Land stoppen möge.

Das hat für gewisses Aufsehen gesorgt, vielleicht nicht gerade für „die großen Wellen in der Medienlandschaft“, wie die von den Initiatoren beauftragte Kommunikationsagentur in einer Mail vermeldet. Auch der Pressesprecher von Merz soll den Brief zur Kenntnis genommen haben.

Und was resultiert weiter daraus? Man fragt sich mittlerweile, was das soll mit den offenen Briefen, die es zuletzt im Übermaß gegeben hat. Gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, für ein verstärktes Engagement zugunsten der Ukraine, gegen Deepfakes, für das Klima („Klimawandel nicht den Rechten überlassen“). Oder eben jetzt dieser Brief mit der Forderung, noch intensiver auf Israel einzuwirken.

Geballte Prominenz-Power?

Offene Briefe haben immer etwas Wohlfeiles, sie zu unterzeichnen ist eine Form des billigsten Engagements. Ein bisschen Gesinnung zeigen, empört sein zum richtigen Zeitpunkt, im Fall der vielen Filmschaffenden der eigenen Hilf- und Machtlosigkeit die geballte Power der Prominenz etwas entgegenhalten.

Wobei diese sich aktuell fragen lassen müssen, trotz ihrer „aufs Schärfste“ vorgenommenen Verurteilung der „grauenvollen Verbrechen“ der Hamas, wo ihr Aufschrei am 7. Oktober blieb, ihr Engagement, ihre Solidaritätsbekundungen zugunsten Israels. Da hatte sich der gesamte Kulturbetrieb auffallend zurückgehalten.

Im besten Fall lösen offene Briefe noch Debatten aus, so wie seinerzeit bezüglich der Frage nach den Waffenlieferungen für die Ukraine, im schlimmsten Fall aber können sie selbst instrumentalisiert werden – und werden es auch von Putin bis zur Hamas. Nur sollten Debatten nicht per Unterschriftensammlung geführt werden, sondern mit Argumenten, dem Austausch von Argumenten. Das ist in akklamatorischen offenen Briefen kaum möglich.

Das Leid der Menschen in Gaza, es ist offensichtlich, das ist auch der Bundesregierung nicht entgangen. Das Leid der Menschen im Sudan schreit übrigens ebenfalls zum Himmel, müsste man jetzt doch mal so whataboutism-mäßig sagen. Wo bleibt hier das Engagement von Hüller, Akin, Chuba und Co?

„Die Kulturschaffenden warten weiter auf eine Antwort aus dem Kanzleramt“, schlussfolgert jetzt deren Agentur. Immerhin: Gut, dass jetzt alle wissen, dass Kultur- und Filmschaffende empört über das Vorgehen Israels in Gaza sind.

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