zum Hauptinhalt
„The Interlace“ von Ole Scheeren, als er noch für das Architekturbüro OMA tätig war.

© OMA Ole Scheeren »The Interlace«, Foto: Iwan Baan

Ole Scheeren beim ZKM in Karlsruhe: Der Mann für architektonische Höhenflüge

Gestapelte Wohnungen in Asien, ein Tresen als Bühne für Köche in New York: Ole Scheerens erstaunliche Bauwerke und Projekte in einer Ausstellung.

Von Alexandra Wach

Stand:

Man musste schon ein Boot nehmen, um das Archipelago Cinema zu erreichen. Die Plattform für das thailändische Festival „Film on the Rocks“ schwamm in einer Lagunenkulisse, die durch die angesagten Kuratoren Tilda Swinton und Apichatpong Weerasethakul zusätzlich überhöht wurde.

2012 sorgte dieses Anfangsprojekt des Büros Ole Scheeren mit seinen Modulen und der zwischen den Felsen gespannten Leinwand für genug Aufmerksamkeit, um eine bis heute nicht abreißende Reihe an Nachfolgeprojekten nach sich zu ziehen. Und weil der 1971 in Karlsruhe geborene Sheeren von 2002 bis 2010 Partnerarchitekt bei OMA von Rem Koolhaas war, blieb es nicht bei verspielt improvisierten Kulturaufträgen wie der Kino-Insel.

Gigantische Bürogebäude, Firmensitze und Wohnhäuser finden sich ebenso in seinem Repertoire wie ein mobiler, das Raumgeschehen reflektierender Tresen in New York, an dem das Kochen als choreografiertes Miteinander inszeniert wird. Seit 2015 hat das Büro neben Peking, Hongkong und London auch eine Niederlassung in Berlin.

Vor allem in Asien, wo die Fantasie beflügelnde Bauten als Gradmesser für Prosperität willkommen sind, hat Scheeren offene Türen eingerannt - mit seinen bekanntesten Projekten wie „The Interlace“ von 2014 in Singapur etwa, einer Siedlung aus Dachgärten und vertikal gestapelten Wohnblöcken, oder dem Hochhaus „Maha Nakhon“ von 2018 in Bangkok, einem von einer pixelhaften Struktur dominierten Hybrid, der mit seinen Vorsprüngen einer Berglandschaft ähnelt.

Scheerens Leitspruch „form follows fiction“, also „Die Form folgt der Fiktion“ und nicht die alte Doktrin „Die Form folgt der Funktion“ ließ sich bisher in Europa und den USA seltener umsetzen. Eine triumphale Exzentrik, die weithin auffällt, soll auch in Deutschland Fragen nach Energiehaushalt nicht überschatten.

Scheeren gehört eher zu der von Kontinent zu Kontinent wandernden Fraktion, die Nachhaltigkeit anstrebt, sich aber auch mit seinen skulpturalen Visionen verewigt, wenn der Bauherr, möge er auch aus autoritär regierten Ländern wie China, Singapur oder Vietnam stammen, ökologische Aspekte ignoriert.

Der ethische Preis für das Bauen im großen Maßstab steht nicht im Zentrum der von Peter Weibel kuratierten Ausstellung „ole scheeren : spaces of life“. Bis zu acht Meter hohe Modelle, Zeichnungen, Grafiken und Augmented-Reality-Angebote veranschaulichen in den großen Lichthöfen, wie Scheeren die neuen Bedingungen für Architektur aufzugreifen wusste.

Man denke nur an die „gestapelten Landschaften“ der Holländer MvRdV auf der Weltausstellung 2000 in Hannover, denen eine ganze Generation von räumlich und sozial offenen, mit kleinen Dschungeln und Erholungsflächen bestückten Türmen folgte. Gerne hätte man diese Einflüsse berücksichtigt gesehen.

„Fifteen Fifteen“ von Ole Scheeren.

© Ole Scheeren »Fifteen Fifteen«, © Buro-OS, Rendering: Binyan Sudios

Stattdessen folgt ein Projekt auf das andere, verwirklicht, abgelehnt oder in Planung, stets angeleitet von dem selbstbewussten Anspruch, Prototypen für das Wohnen von morgen zu schaffen. Damit das Stapeln und Raumsparen nicht zu abstrakt bleiben, zeigen sich nach dem Scannen des entsprechenden QR-Codes die Gebäude in ihrer realen Umgebung, flankiert von 100 3D-gedruckten Modellen, die in einer mit Information voll gespickten Timeline stehen.

Nicht zu übersehen ist auch der „media dump“, den man mit ausreichend Aufmerksamkeitsbereitschaft für rotierende Social-Media-Schnipsel betreten sollte. In dem runden „Tech-Iglo“ aus gehängten Bildschirmen begegnet man Auslassungen der Bewohner von Scheerens Architektur - eine babylonische Bilderverwirrung, gesendet aus Mega-Cities und verdichtet von einem Star-Architekten, der dem Trend zu gemeinschaftlichen Großstrukturen seinen Stempel mit Sinn fürs Spektakel aufdrückt.

Damit sind keineswegs kostengünstige Sozialbauten gemeint, sondern eher Erlebniskapseln für Menschen mit einem gut gefüllten Portemonnaie und dem Wunsch nach einem ebenso ikonischen wie instagramtauglichen Rückzugsort.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })