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Eine Schülerin meldet sich im Unterricht. (zu dpa: «Bayerisches Kultusministerium verteidigt frühen Unterrichtsbeginn») Foto: Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Daniel Karmann

Pläne der SPD zum Schutz jüdischen Lebens: Reaktionäre Ideen statt Prävention

An Schulen in Berlin braucht es unbürokratische Projektarbeit durch ausgebildete jüdische Lehrkräfte. Gedenktheater und Strafen helfen nicht weiter, sagt unsere „Schlamasseltov“-Kolumnistin.

Debora Antmann
Eine Kolumne von Debora Antmann

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„SPD-Antrag im Parlament: So sollen Juden in der Hauptstadt besser geschützt werden“ teilt mir eine „BZ“-Schlagzeile mit. Meine innere Stimme meldet sich sarkastisch: Gehört die SPD nicht zu der Regierung, die allen Berliner Demokratieförderungs-, Antidiskriminierungs- und Präventionsprojekten erstmal im großen Stil den finanziellen Boden unter den Füßen weggezogen hat? Welche Ironie!

Andererseits gehöre ich ja nicht zur Zielgruppe, wenn man sich die „BZ“ so anschaut. Es sollen schließlich Juden in Berlin geschützt werden. Nur Juden fühlen sich unsicher. Ein Plan von einem Mann (Herr Freier-Winterwerb) für Männer (Juden). Die „BZ“ kennt bekanntermaßen keine Jüdinnen oder gar jüdischen Menschen dazwischen und darüber hinaus. Aber ganz bestimmt sind wir mitgemeint. Obwohl der Artikel also nicht für mich ist, lese ich ihn und mein Zynismus wird nicht weniger.

Über tote Juden zu sprechen, scheint nicht zu helfen, tote Juden zu vermeiden

Es braucht den Jahrestag des Hamas-Angriffs, damit der Antrag eingereicht wird. Ich muss Begriffe wie „Symbolpolitik“ und „Gedenktheater“ aufstoßen. Selbstdarstellung mit unserem Leid. Aber es sind die Maßnahmen, die meinen Mund wie Galle mit Verbitterung füllen: Eine Mischung aus dem Mist, der seit Jahrzehnten nicht funktioniert und mehr Strafen.

Schüler*innen sollen jüdische Einrichtungen und Gedenkstätten besuchen. Diese „Schau-mal-das-sind-Juden“-Herangehensweise hat uns dahin geführt, wo wir heute sind. Permanent über tote Juden zu sprechen, wie in schaurigen Märchen, hilft offensichtlich nicht, tote Juden zu vermeiden.

Was es an Schulen braucht, ist unbürokratische Projekt- und Fallarbeit, durch ausgebildete jüdische Pädagog*innen, die auf Präventionsarbeit spezialisiert sind. Irgendwohin zu fahren und sich Leute und Gebäude anzuschauen oder Rabbis einzuladen, führt nicht zu Identifikation, sondern ist Othering. Die bisherige Erwartung, dass Jüd*innen, die nicht entsprechend ausgebildet sind, nur durch Begegnung auffangen, was bereits schiefläuft, war nie fair.

Außerdem schlägt der Antrag Schulverweise und die Schulung von Polizisten und Sicherheitspersonal an Unis vor. An den Unis braucht es vor allem einen Paradigmenwechsel, nicht Polizei. Und wir wissen alle, dass Ausschluss aus dem Bildungssystem immer super hilft, um Radikalisierung zu vermeiden (Sarkasmus).

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