
© Birgit Rieger / Tagesspiegel
Protest vor der Berliner Kulturverwaltung: Freie Szene kämpft für Erhalt von Ateliers
Bei einem Aktionstag verlegen Berliner Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers nach draußen. Ohne geförderte Arbeitsräume geht es nicht, sagen sie.
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Draußen unter freiem Himmel malen oder zeichnen, auf der Bordsteinkante den Laptop aufklappen, Üben fürs Konzert nur noch im Park – so zeichnen Berliner Künstlerinnen und Künstler aller Sparten ihre Zukunft beim Aktionstag #KulturBrauchtRaum am Mittwoch.
Maler, Bildhauer, Performer, Musikerinnen machen sich mit Staffelei, Pinsel, Musikinstrument und sonstigen Arbeitsgeräten – manche auch ganz ohne – in der Brunnenstraße auf dem Gehweg gegenüber der Berliner Kulturverwaltung breit, um gegen den Wegfall geförderter Ateliers und Proberäume zu protestieren.
Schlichtweg nicht finanzierbar
„Ohne bezahlbare Arbeitsräume ist die Existenz von Künstlerinnen und Künstlern gefährdet, da sie nicht mehr produzieren können. Räume ohne Förderung sind durch die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt nicht mehr bezahlbar“, fasst es Monika Götz, eine der Organisatorinnen des Aktionstages der Initiative #KulturBrauchtRaum, zusammen.

© Ruth Hundsdoerfer
Die neue Kultursenatorin hört zu
Es werden Schnittchen verteilt, ein Leierkastenmann dreht an seiner Orgel, Künstlerin Gabriele Regiert sammelt Fußabdrücke per Grafitstift und Papier. Alles direkt vor dem Amtssitz der neuen Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson. Die kommt auch gleich zu Beginn der Demo nach draußen, um mit den Anwesenden ins Gespräch zu kommen. Auf ihr, die aus dem Klassikbereich kommt und aus erster Hand versteht, wie Künstler arbeiten, liegen jetzt alle Hoffnungen.
„Die Kürzungen für das Arbeitsraumprogramm müssen zurückgenommen werden“, fordert Mattias Mayer, vom Raumbüro Freie Szene. Das seit 2021 existierende Raumbüro ist dafür zuständig, geförderte Räume für Tänzer, Schauspieler, Musiker zu entwickeln. „Durch die aktuellen Kürzungen kann höchstens noch der Bestand gesichert werden.“ Aktuelles Problem: 4200 Quadratmeter Fläche in Reinickendorf, die für darstellende Künstler und Tänzerinnen ausgebaut werden sollen, stehen leer und können nicht vermietet werden.
Grund ist die fehlende Verpflichtungsermächtigung, die es der Verwaltung ermöglicht, Gelder auch für zukünftige Haushaltsjahre zuzusagen – was für langfristige Mietverträge notwendig wäre. 4 bis 6,50 Euro warm pro Quadratmeter zahlen Künstler für geförderte Ateliers. Auf dem freien Markt würden sie gut und gern 20 Euro pro Quadratmeter bezahlen, so Mayer. Das ist für Künstler, von denen etwa 90 Prozent prekär lebt, nicht leistbar.
Gerade die freie Szene ist betroffen
„Für 250 Ateliers laufen in diesem Jahr die Mietverträge aus“, erzählt Lennart Siebert vom Atelierbüro des Berufsverbandes bbk berlin, das für die Ateliers der bildenden Künstler zuständig ist. Auch die dürfen aktuell wegen der fehlenden Verpflichtungsermächtigung nicht verlängert werden. Wenn Eigentümer sich dann anderweitig umsehen, gehen gerade langjährige, günstige Mietverträge verloren.
Viele der anwesenden Künstler arbeiten in gefährdeten, unsicheren Ateliers, so auch Künstlerin und Performerin Katrin Glanz. Glanz, in Weiß gekleidet und mit weißer Kreide in der Hand, vermisst mithilfe ihrer Schritte und des eigenen Körpers symbolisch den Raum auf dem Bürgersteig. Wie viel Raum steht für die Kunst zur Verfügung?
Für ihr Atelier und rund 20 weitere am Standort Karl-Marx-Straße 58 laufen die Mietverträge in 2026 aus. Wegen gekürzter Budgets und fehlender Verpflichtungsermächtigung ist im Moment unklar, ob die Verträge verlängert werden können. Hinzu kommt, dass im aktuellen Haushalt auch das Budget für Ausstellungshonorare gestrichen worden ist. Für ihre Teilnahme an einem Ausstellungsprojekt in der Alten Feuerwache, der Kommunalen Galerie Friedrichshain, und eine neu entwickelte Arbeit erhält sie kein Honorar.
Künstlerin und Aktionstag-Organisatorin Monika Götz berichtet dasselbe über ihre Ausstellungsteilnahme in der Kommunalen Galerie Schloss Biesdorf. „Der Senat hat die Kosten auf die Bezirke abgewälzt, aber die haben das Geld einfach nicht“, sagt Götz.
Und Daniela Billig, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die neben Parteikollege Daniel Wesener ebenfalls gekommen ist, formuliert es so: „Die geplanten Kürzungen sind für die Kulturszene einfach tödlich. Gerade in der freien Szene passiert so viel unter Selbstausbeutung, dass selbst bei geringen Kürzungen schon keine Produktion mehr möglich ist.“
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