
© Rolf Brockschmidt
Rekonstruierte Gewänder aus Nubien im Bode-Museum: Neues Leben kommt in Kleider
„In Pracht gehüllt“: Einst ließen sich die mittelalterlichen Gewänder wie Bilder lesen. Heute gefährdet der Bürgerkrieg im Sudan die Kulturstätten, woher sie einst kamen.
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Eindrucksvoll sehen sie aus, die fünf im Halbkreis stehenden Figuren mit rekonstruierten farbenprächtigen mittelalterlichen Gewändern aus Nubien. Sie ziehen sofort den Blick auf sich. Im Museum für Byzantinische Kunst bilden sie den Mittelpunkt der Ausstellung „In Pracht gehüllt. Rekonstruktionen mittelalterlicher Gewänder aus Nubien“, eine Kooperation mit dem Polnischen Institut Berlin, der Archäologischen Fakultät der Universität Warschau und der Fakultät für Design der SWPS-Universität Warschau.
Die fünf Gewänder und dazugehörigen Attribute wie Kronen und Mattas (lange Schals) basieren auf fünf Wandbildern aus der Kathedrale von Faras, der Hauptstadt des Königreichs Nobadia. Es erstreckte sich im 6. und 7. Jahrhundert über das Gebiet des heutigen Nordsudans und Südägyptens. Faras existierte bis ins 14. Jahrhundert als Hauptstadt der nördlichen Provinzen des Königreichs Makuria.
Als in den 1960er Jahren der Assuan-Staudamm in Ägypten gebaut wurde, gab es im künftigen Überflutungsgebiet Notgrabungen der UNESCO zur Rettung des kulturellen Erbes von Nubien. Polnische Archäologen entdeckten dabei die Kathedrale von Faras und ihre einzigartigen, realistischen Wandbilder.
Im Rahmen der damals üblichen Fundteilung gelangte ein Teil der Faras-Bilder in das Nationalmuseum in Warschau, der andere Teil ging an das Sudan-Nationalmuseum in Khartum. In Berlin sind nun die rekonstruierten Gewänder, aber auch die Fotos zu sehen, auf denen Sudanesen diese Gewänder tragen. In Vitrinen werden Textiloriginale aus dem Byzantinischen Museum und dem Museum für Islamische Kunst sowie Werkzeuge gezeigt.

© Paulina Matusiak und Eddy Wenting
Der Archäologe Karel Innemée, Leiter des Projekts „Costumes of Authority“ am Archäologischen Institut der Universität Warschau, erzählt, dass die Wandmalereien der Anfang des Projektes gewesen seien. „Diese Kleider waren nicht nur prachtvolle Gewänder, sie wirkten wie eine Uniform und hatten eine eigene Bildsprache. Sie drücken weltliche und kirchliche Autorität aus, alles hat seine Bedeutung, jeder konnte das damals lesen.“
Im 6. Jahrhundert verbreitete sich das Christentum von Konstantinopel aus bis nach Nubien, wo durch den Niedergang des Reiches von Meroe ein Machtvakuum entstanden war. „Die nubischen Könige erkannten den Wert des Christentums. Mit der Übernahme der byzantinischen Tradition kam wieder Ordnung und Struktur in das Gebiet“, sagt Innemée. Die Gewänder auf der linken Seite repräsentieren die byzantinische Tradition, rechts sieht man die afrikanischen Einflüsse, die ab dem Ende des 9. Jahrhunderts sichtbar werden. Zwischen Byzanz und Nubien herrschten im heutigen Ägypten die muslimischen Umayyaden und Fatimiden, was das Vordringen des Christentums nach Nubien aber keineswegs behinderte.
Die fünf Gewänder für königliche Mütter, Könige und einen Bischof wurden vom Team um Agnieszka Jacobson-Cielecka rekonstruiert, der Direktorin der Fakultät für Design der SWPS Universität Warschau. Zuerst wurden die Farben aus den Ausgrabungen chemisch untersucht, um herauszufinden, mit welche Pflanzenpigmenten die Stoffe gefärbt wurden. Kostümdesignerin Dorothée Roqueplo erforschte ihre Reaktion auf Leinen, Baumwolle und Seide, ob der Stoff zur Dekoration bestickt, gewebt oder bedruckt wurde.
Zur Recherche gehörte die Suche nach ähnlichen Stücken in anderen europäischen Textilsammlungen in Europa. Die Designerin und Fotografin Paulina Matusiak inszenierte dann für ihre ausdrucksstarken, überlebensgroßen Fotos Mitglieder der sudanesischen Community in Den Haag in einer Kirche. „Die Gewänder lebten plötzlich, es war faszinierend, wie selbstverständlich sich der Muslim in der Bischofsrobe bewegte“, erzählt sie. Kleider machen Leute.
Die Rolle der Frauen in Nubien war wichtiger als in Byzanz. Die Schwester des Königs galt immer auch als Mutter des folgenden Königs. So wird die Mutter des Königs bildlich mit der Mutter Gottes gleichgestellt, wie in der Ausstellung zu sehen. Die bemerkenswerte Schau wirft ein Schlaglicht auf ein Land, das gerade von einem blutigen Bürgerkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen wird. Noch weiß man nicht, ob diese einzigartigen Wandbilder dort die Kämpfe und Plünderungen überlebt haben. Umso wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit auf das reiche kulturelle Erbe des Sudans zu richten.
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