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Doppelschlag. Mit dem Stülerbau (l.) und dem Kommandantenhaus (r.) verfügt das Berggruen-Museum nun über 2750 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

© SMB

Berggruen-Museum: Schatzhaus der Moderne

Picasso, Klee, Matisse: Das Berggruen-Museum ist wiedereröffnet, schöner und größer denn je. Das Berliner Architekturbüro Kuehn/Malvezzi hat zwischen dem bisherigen Quartier im Stülerbau und dem benachbarten Kommandantenhaus einen Übergang gebaut, der eine großzügige Erweiterung ermöglicht.

Berlin, nun freue dich, hieß es bereits im Vorfeld. Schließlich erhält die Stadt ihr liebstes Museum zurück, ein Schatzkästlein der Moderne, die Sammlung Berggruen mit ihren Meisterwerken von Picasso, Matisse und Klee. Zwei Jahre hieß es warten. So lange dauerten die Erneuerungsarbeiten im Haus, der Umbau des benachbarten Gebäudes, dazu der Brückenschlag aus Glas und Stahl zwischen den beiden Bauten vom Architekturbüro Kuehn/Malvezzi. Die Besucherzahlen in Charlottenburg gingen in dieser Zeit empfindlich zurück. Ab dem heutigen Samstag ist sie wieder geöffnet: Berlins feinste Adresse für die Kunst. Der ohnehin in Aufschwung begriffene alte Westen erhält eine seiner Attraktionen zurück.

Es ist nicht nur eine Rückkehr zu geliebten Bildern, ausnehmend schönen Ausstellungsräumen in einem klassizistischen Architekturjuwel, sondern durch die Erweiterung auf insgesamt 1250 Quadratmeter und 28 Räume gelingt ein Quantensprung. Die Stadt nimmt endlich die exquisite Sammlung von Heinz Berggruen wieder in Empfang, zugleich erhält sie durch Leihgaben seiner Familie ein Museum von internationalem Rang. Zwei Tage lang dürfen die Besucher frei Haus kommen und staunen, ein Wochenende der offenen Tür. Eine Geste gegenüber dem Publikum vor Ort, so Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann.

Berlin und Berggruen (1914 – 2007), das war immer auch eine kleine Liebesgeschichte, seitdem der in den dreißiger Jahren emigrierte jüdische Kunsthändler nach dem Mauerfall mit seiner Heimatstadt wieder Kontakt aufgenommen hatte. 1996 gab er seine Werke als Leihgaben in den eigens hergerichteten Stülerbau, vier Jahre später wurden sie dort endgültig beheimatet – nicht als Geschenk, wie es im Überschwang der gegenseitigen Begeisterung gerne mal hieß, sondern als Ankauf. Mit dem jetzigen Anbau, den der Bund mit 5,6 Millionen Euro finanzierte, versucht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die gleiche Strategie gegenüber der kunstsinnigen Familie, zu der auch Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen gehört. Die Bereitstellung des benachbarten Kommandantenhauses ist als erstes Aufgebot zu verstehen, um die 60 Werke der Erben ebenfalls auf Dauer behalten zu dürfen. Das Tauziehen der Museen ohne Ankaufsetat mit Privatsammlern geht weiter.

Das Publikum profitiert davon. Es gewinnt ein Doppelhaus, das in neuer Großzügigkeit erstrahlt. Der Stüler-Bau ist für Picasso reserviert, eine Grande Tour mit rund 90 Werken in chronologischer Ordnung, die den Jahrhundertkünstler in seiner ganzen Breite zeigt und auch Überraschungen bereithält. Der Galionsfigur der Sammlung, dem berühmten DoraMaar-Bildnis von 1939 mit dem Titel „Der gelbe Pullover“, ist die kleine Collage „Sitzende Frau“ zur Seite gestellt, die Picassos Lebensgefährtin ebenfalls in gelbem Pullover zeigt und den Künstler als kubistischen Bricoleur vorführt – ein charmanter Fingerzeig, wie stark die Frauen ihn inspirierten. Spektakulär der jüngste millionenschwere Neuzugang, seine „Femme D’Algier“, die mit gekreuzten Beinen wie eine Odaliske vor dem Betrachter Platz genommen hat und deren geometrisch in sich gebrochener Oberkörper zugleich eine Maske zu sein scheint. Das Museum spielt die ganze Klaviatur, vom großen Gemälde bis zur kleinen Zeichnung, darunter auch das rührende Aquarell „Ankunft in Paris“ von 1901, das den noch jungen Künstler mit Pfeife und kariertem Mantelüberwurf zeigt. Charlottenburg dürfte zur Pilgerstätte für Picasso-Freunde werden.

Die weiträumigere Hängung bekommt dem Museum, zugleich ist die intime Atmosphäre von einst gewahrt. Auch der Buchladen, in dem der unter dem Dach residierende Berggruen für Besucher früher gerne seine Memoiren signierte, wurde deutlich vergrößert. Daran schließt sich ein dem Sammler gewidmeter Erinnerungsraum an: mit Plakaten, Katalogen, Einladungen aus seiner Ära als Galerist, dazu Fotografien und Filmaufnahmen mit Interviews. Endlich gibt es auch Räume für Sonderausstellungen, zur Wiedereröffnung wurden als Hommage an Picasso „Harlekine, Narren, Artisten“ zusammengetragen. Hier weitet sich nochmals ein Horizont, mit einer Rötelzeichnung von Watteau oder einem Grisaille-Gemälde von Toulouse-Lautrec finden nun auch die weiteren Bestände der Staatlichen Museen Einlass.

Die Verbindung zum Kommandantenhaus stellt sich jedoch nicht so leicht her. In der Rotunde wird der Besucher zwar von Giacomettis „Großer Stehender Frau III“ von 1960 begrüßt, die den Blick sofort über die neue Gangway des Berliner Architektenbüros Kuehn/Malvezzi zum Nebenbau lenkt, wo eine Variation seiner „Frau für Venedig“ des Schweizer Bildhauers aufragt. Doch der Bruch ist zu hart. Der als Pergola bezeichnete Übergang, der zur Linken den Blick in den künftigen Skulpturengarten und zur Rechten auf das Charlottenburger Schloss freigibt, bildet zwar ein architektonisch starkes Gelenk, aber das 1892/93 errichtete Wohnhaus für Offiziere am Spandauer Damm, in dem zuletzt ein Kindertheater untergebracht war, eignet sich nur bedingt als Museum. Die Räume sind zu klein; die dicken Wände, in denen sich die Sicherheits- und Klimatechnik verbirgt, wirken im Verhältnis zu klobig.

Auch Klee ist in überwältigender Vielzahl präsent

Verbindungsgang zum Nebentrakt mit Blick auf Giacometti.
Verbindungsgang zum Nebentrakt mit Blick auf Giacometti.

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Kittelmann und seine Kuratorin Kylliki Zacharias machen jedoch aus der Not eine Tugend, indem sie die ohnehin kleineren Werke von Klee hier versammeln und Matisse großzügig Platz bieten. Auch hier kann sich der Besucher in kürzester Zeit verlieren. Matisse wird zum Fest, die mitreißenden Papiers Collés mit ihren tanzenden Akten, die lichtdurchfluteten Interieurs, die das Dasein in leuchtenden Farben zelebrieren, können auch in den engen Sälen ihren Esprit entfalten. Noch mehr als im Stülerbau lockert sich hier im Annex zwar der persönliche Bezug zu Berggruen, zu Geschichten wie jener von der blauen Zeichenmappe, die einem der Matisse-Bilder den Titel gab. Als junger Galerist hatte der Sammler die Mappe persönlich ins Atelier des Künstlers zurückgetragen. Doch Berlin hat nun mit den Leihgaben der Erben die größte Matisse-Kollektion in Museumsbesitz. Das zählt im Städtevergleich.

Ähnlich ist Klee in einer überwältigenden Anzahl präsent, darunter allerdings auch schwache Werke des Vielmalers, die sich in der großzügigeren Präsentation zu stark in den Vordergrund spielen. Unter dem Dach des Stülerbaus, wo sie früher komprimierter hingen, fielen solche Schwankungen kaum ins Gewicht. Die Begeisterung bremst das aber nicht.

Bei aller Freude über die furiose Wiedereröffnung stellt sich die Frage, wohin der Weg der Neuen Nationalgalerie und der mit ihr verbundenen Privatsammler führt. Gegenüber im östlichen Stülerbau beherbergt sie außerdem die Surrealisten-Sammlung Scharf-Gerstenberg, am Kulturforum drängt sie in die Gemäldegalerie als künftige Galerie der Moderne, um auch die Sammlung Pietzsch unterzubringen. Als Spezialmuseum, als kleines, feines Haus hat das Berggruen Museum unbestritten seinen festen Platz und vermag ein ganzes Kunstquartier in Charlottenburg zu stimulieren. Es wird höchste Zeit, die Zukunft der Nationalgalerie als Ganzes in Angriff zu nehmen.

Museum Berggruen, Schlossstr. 1, Tage der offenen Tür, freier Eintritt: 16. / 17. 3., 10 – 18 Uhr. Geöffnet Di bis So 10 – 18 Uhr.

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