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Das Gemälde „Der Hafen von Rom“  bildet den Beginn von Roberts glanzvoller Karriere.

©   Beaux-Arts de Paris, Dist. RMN-Grand Palais

Retrospektive von Hubert Robert im Louvre: Sehen und träumen

Wirklichkeit als Faszinosum: Paris zeigt eine Retrospektive des „Ruinenmalers“ Hubert Robert, der den Louvre mitbegründet hat.

1796 war die Schreckenszeit der Französischen Revolution, der Terror unter Robespierre, bereits vorüber. Napoleons Aufstieg vollzog sich in rasanter Geschwindigkeit. Im Jahr zuvor war das „Muséum National des Arts“ gegründet worden, das der künftige Empereur in „Musée Napoléon“ umbenennen sollte und das heute unter dem Namen seines weitläufigen Gebäudes als „der Louvre“ weltbekannt ist. Im Palais du Louvre fand alle zwei Jahre der Salon statt, die Ausstellung neuester Gemälde. Nun ging das revolutionäre Frankreich daran, im Königspalast das erste öffentliche Museum des Landes einzurichten.

Hubert Robert malte damals zwei visionäre Ansichten der „Großen Galerie“, des Hauptsaales des Museums: einmal mit großzügigen Glasdächern zur besseren Beleuchtung, wie sie erst Jahrzehnte später eingebaut wurden, und zum anderen als Ruine. Es ist diese letztere Vorstellung der teilzerstörten, doch gerade noch nutzbaren Galerie, die mit dem Namen des 1733 in Paris geborenen und dort 1808 verstorbenen Malers untrennbar verbunden ist. Robert schuf kein Schreckensbild, sondern eine friedvoll-elegische Szenerie, in der eine großartige, doch schon ferne Vergangenheit in eine bescheidene Gegenwart hinüberragt und sich die Heutigen mit dem unwiederbringlichen Verlust arrangiert haben.

Dieses Grundmotiv einer zeitlos gewordenen Vergangenheit hat Robert, man ahnt es, in Rom für sich gewonnen. Das antike Rom war zu seinen Zeiten, da wohlhabende Touristen auf ihre „Grand Tour“ nach Italien gingen, zu einer pittoresken Sehenswürdigkeit geworden, in der Ziegen weideten, Straßenmusikanten aufspielten und englische Amateure ihrer „Anticomania“ frönten. Robert hat zehn Jahre lang in Rom gelebt und dort seine künstlerische Ausbildung betrieben, ein wenig unkonventionell und mit dem Glück wohlmeinender Protektion, ehe er 1767 mit einem großformatigen Gemälde beim Pariser Salon reüssierte: natürlich einer Ansicht Roms. Doch nicht, wie es war, sondern wie es hätte sein können, einem Capriccio unter dem Titel „Der Hafen von Rom, geschmückt mit verschiedenen Monumenten der antiken und modernen Architektur“. Das Gemälde war sein Zulassungsbild zur Königlichen Akademie der Schönen Künste, die ihn als „Architekturmaler“ aufnahm. So begann seine Karriere ihren glänzenden Verlauf.

Genremaler, Landschafter, Chronist und Gartengestalter

Nun veranstaltet der Louvre, an dessen Entstehung Robert als Mitglied der Gründungskommission unmittelbar beteiligt war, eine umfassende Retrospektive des Werks von Hubert Robert. Es ist die erste seit 1933, liest man mit Staunen – so gegenwärtig, wie Roberts Gemälde doch sind, nicht nur in Paris, sondern in Museen weltweit. Sie gelten als Inbegriff der Architekturmalerei des 18. Jahrhunderts, zumal in deren Sonderform der Ruinenmalerei. Wie verkürzt dieses gängige Etikett ist, demonstriert die mit 140 Arbeiten gut, aber angesichts eines Oeuvres von über 1000 Ölbildern doch nur ausschnitthaft bestückte Ausstellung. Sie zeigt den Genremaler, den Landschafter, den Chronisten aktueller Ereignisse und sogar den Gartengestalter und Designer.

In seinem römischen Jahrzehnt hat der junge Robert alles gezeichnet, was er an antiken Bauten finden konnte, dazu die Wasserfälle und Kaiservillen des nahen Tivoli, dieses Ausflugsziels jedes Rom-Reisenden. Und er lernte zwei Künstler kennen, deren Werke auf ihn unauslöschlichen Eindruck machten: den älteren Giovanni Paolo Pannini, den Vedutenmaler Roms schlechthin, und Giovanni Battista Piranesi, der die die Fantasie ganz Europas beflügelnde Grafikfolge der „Carceri“, der Kerkervisionen, 1750 veröffentlicht hatte, dazu mehrere Bände mit Darstellungen der antiken Bauten Roms und seiner Umgebung.

Die wundervollen Rötelzeichnungen Roberts – über 3000 zählt der Nachlass – verraten den lebenslangen Einfluss dieser beiden Künstler. Robert konnte Bauten wie das Pantheon oder den Konservatorenpalast nach Belieben inszenieren, kombinieren und mit Genreszenen ergänzen. Stets vermitteln sie die Illusion des tatsächlich so Gesehenen. Jede Ansicht ist glaubhaft. Und war der Maler nicht persönlich anwesend, als antike Skulpturen in einem Gewölbe entdeckt wurden, das doch nach den düsteren Umgängen des Kolosseums modelliert ist?

Er malte den Umbruch

„Der Effekt dieser Kompositionen“, bemerkte der große Aufklärer Denis Diderot bereits über Roberts Einreichungen zum „Salon“ von 1767, „besteht darin, uns in eine Stimmung sanfter Melancholie zu versetzen ... Wir ahnen die Verwüstungen der Zeitläufte voraus.“ Persönlich war Robert durchaus kein Melancholiker, er wird vielmehr als geselliger und geistvoller Mensch geschildert, der einen breiten Freundes- und Bekanntenkreis unterhielt. Mit dem Ende des Ancien régime in den Wirren der Revolution sprang auch er, der zuletzt noch ein Günstling der Königin Marie Antoinette war und von ihr mit der Gartengestaltung für Schloss Rambouillet betraut, in die unmittelbare Gegenwart. Sein Gemälde vom beginnenden Abriss des verhassten Bastille-Gefängnisses aus dem Jahr 1789 wurde zu einer Ikone der Republik. Robert geriet unter der Terrorherrschaft Robespierres selbst in Gefangenschaft; allerdings eine, in der ihm Farben und Leinwand zur Verfügung standen, um den Alltag der Häftlinge festzuhalten. Jetzt lernte er Piranesis „Carceri“ als Wirklichkeit kennen – doch zu seinem Glück, nachdem ihm als Auftragnehmer des Adels die Guillotine gedroht hatte, nur für Monate. Stattdessen beförderte er die Umwandlung des Königsschlosses zum Museum, und so setzte sich seine Laufbahn fort.

Mehrfach hat er Paris gemalt, den Umbruch, der bereits vor der Revolution einsetzte. Die mittelalterlichen Wohnhäuser auf den steinernen Seine-Brücken wurden als hindernd und unhygienisch ab 1786 abgerissen, Vorboten der radikalen Umgestaltung eines Baron Haussmann. Das hat Robert in zwei Gemälden nüchtern festgehalten, ebenso wie den Bau der säulengeschmückten Chirurgie-Lehranstalt als eines Marksteins aufgeklärter Wissenschaft im Jahr 1773.

Hubert Robert war ein Dekorateur von Graden, und für zahlreiche Schlösser und Palais lieferte er passgenaue Wandgemälde. Und doch war er eben kein bloßer Schönmaler. Er verstand die römische Antike wie kaum ein Zweiter, und ebenso ihren allmählichen Verfall. Neben dem Erhabenen sah er das Alltägliche und flocht es in kleinen Genreszenen in seine großen Sujets ein. Das gibt seinen Bildern eine zutiefst menschliche Dimension. Robert ist nicht auf Überwältigung aus, schon gar nicht durch Schrecken, und wo er es versucht – nach der Lektüre von Edmund Burkes epochalem Buch „Über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen“ von 1757 –, wie beim „Brand der Oper“ von 1781, erntete er gemischte Reaktionen. Das Publikum feierte stattdessen die bildliche Zusammenstellung der „Monumente von Paris“, die Robert den so oft gemalten Monumenten des antiken Rom als ebenbürtig an die Seite stellt.

Mit dem Louvre-Kapitel schließt die Ausstellung, deren umfangreicher Katalog auf Jahrzehnte hinaus das Referenzwerk bleiben wird. Ein Kleinformat ist biografisch bedeutsam: die Darstellung des von Robert und der Kommission vorgeschlagenen Saales der römischen Skulpturen im Ende 1800 eröffneten „Musée central des arts“, wie der Louvre kurzzeitig hieß. Die Statuen stammen aus den königlichen Sammlungen. Tatsächlich erfolgte ihre Aufstellung im Louvre in anderer Weise, doch die Botschaft des Bildes ist eindeutig: Nun sind sie der Öffentlichkeit und idealiter der ganzen Welt zugänglich. Hubert Robert blieb zeitlebens ein Verfechter der Aufklärung.

Paris, Louvre, bis 30. Mai (anschließend National Gallery, Washington). Katalog (544 S.) 49 €. – Mehr unter www.louvre.fr

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