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Der kurdische Produzent Mehmet Aktas in seinem Kreuzberger Café.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kurdischer Film "Reseba": Spuren eines Exilkinos

Mehmet Aktas produziert in Berlin kurdische Filme. Ein Treffen zum Start des Dramas „Reseba – The Dark Wind“.

Von Andreas Busche

Um über den kurdischen Film reden zu können, bedarf es zunächst einer Übereinkunft zwischen den Gesprächspartnern. Das kurdische Kino ist eine Chimäre, es hat keine verbindende Identität, seine Geschichte ist nur bruchstückhaft, es umfasst nicht einmal ein zusammenhängendes Territorium. Die Geschichte der Autonomen Region Kurdistan, des Herzstücks des kurdischen Siedlungsgebiets im Nordirak, ist noch zu sehr von Konflikten gezeichnet, als dass sich hier ein kollektives Bewusstsein hätte entwickeln können. Der bekannteste kurdische Filmemacher wurde in der Türkei geboren. 1982, zwei Jahre vor seinem Tod, gewann Yilmaz Güney mit „Yol – Der Weg“ in Cannes die Goldene Palme. Den Film hatte der erbitterte Regimegegner aus dem Gefängnis heraus gedreht, eine irre Geschichte, die der Dokumentarfilm „Die Legende vom hässlichen König“ erzählt.

„Alle kurdischen Filmemacher stehen im Schatten von Yilmaz Güney“, erzählt Mehmet Aktas beim Treffen in seinem Kreuzberger Café, das der in Berlin ansässige Produzent seit Kurzem betreibt. Das kurdische Kino ist transnational, Güney sei für die jungen Filmemacher in der Türkei, im Irak, in Syrien, aber auch in Deutschland oder Norwegen der einzige Bezugspunkt. Aktas, der mit dem Begriff „Diasporakino“ nicht viel anfangen kann, ist für viele von ihnen eine wichtige Anlaufstelle. Seit 2006 finanziert seine Produktionsfirma Mitos kurdische Filmemacherinnen und Filmemacher. Aktuell läuft in den Kinos das Drama „Reseba – The Dark Wind“ von Hussein Hassan, der mit Aktas auch das Drehbuch schrieb. Hassans Regiedebüt spielt kurz nach dem Einfall des IS in die nordirakische Provinz Shingal 2014, bei dem 5000 Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden getötet, 7000 Kinder und Frauen entführt und über 400 000 Jesiden vertrieben wurden.

Peschmerga beschützten sie während der Dreharbeiten

Als Hassan und Aktas in der Region zu drehen begannen, hatten sie noch einen Dokumentarfilm geplant. Aber die freigelassenen Frauen waren noch zu traumatisiert und die geistlichen Führer, die die vergewaltigten Frauen nach ihrer Rückkehr „rein“ gesprochen hatten, verboten Interviews vor der Kamera. Also beschlossen der Regisseur und sein Produzent, das Drehbuch zu einem Spielfilm umzuschreiben. Heute muss Aktas darüber grinsen: „Meine Partner haben mich gewarnt, so kurzfristig meine Pläne umzuschmeißen, noch dazu in so einer unsicheren Region. Aber meine Erfahrung als Journalist hat mir sehr geholfen: wie man sich in einem Krisengebiet bewegt, wie man Kontakt zu Menschen dort aufnimmt. Außerdem hatten wir immer zehn bis 15 Peschmerga bei uns, die uns beschützt haben.“ Al Jazeera habe später die inszenierten Kampfszenen aus seinem Film sogar als echte Bilder aus dem Kriegsgebiet ausgestrahlt. Viele Journalisten trauen sich bis heute nicht in die Region.

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Wie ein Draufgänger wirkt der 51-jährige Aktas mit seiner rot gerahmten Brille nicht. Tatsächlich ist er einer der einflussreichsten Figuren des gegenwärtigen kurdischen Kinos. Aktae' Filme laufen auf internationalen Festivals wie Toronto und Tribeca, waren auf der Longlist für den Oscar („Memories on Stone“, 2006) und wurden mit Preisen ausgezeichnet. Für die Sichtbarkeit des kurdischen Kinos hat er mehr als jeder andere getan, auch wenn er selbst nicht genau weiß, was dieses kurdische Kino überhaupt sein soll.

Kurdische Filme gehören auch zum deutschen Kino

„Sicher werden diese Filme zu einem Teil der kurdischen Identität, sie brauchen ja eine Zugehörigkeit. Aber genauso gehört ein Film wie ,Haus ohne Dach‘, den wir mit Soleen Yusef in Berlin und Dohuk produziert haben, zum deutschen Kino – auch wenn er kurdische Themen behandelt. Es gibt – nicht nur in Deutschland – immer noch einen sehr undifferenzierten Blick auf die kurdische Kultur und den Nahen Osten. ,Reseba‘ war auch der Versuch, diese Perspektive zu verändern.“

Für ein Nationalkino sind die Filme, die Mehmet Aktas produziert, allerdings zu kritisch, zu wenig sentimental. „Memories on Stone“, in dem „Reseba“-Regisseur Hassan bei den Dreharbeiten zu einem Film über die Anfal-Operation unter Saddam Hussein schier verzweifelt, thematisiert auch das traditionelle Selbstverständnis vieler irakischer Kurden sowie die Korruption in der Regionalverwaltung. „Es gibt eine Klasse von Kurden, die sind nach dem Sturz von Saddam mit Öl reich geworden. Aber sie haben nicht versucht, das Geld der Gesellschaft zugutekommen zu lassen.“

Jeder kurdische Künstler ist politisch

Dennoch sieht sich Aktas nicht als politischer Produzent, obwohl man als Kurde in der Türkei automatisch politisch wahrgenommen wird. „Das war schon in den neunziger Jahren zu meiner Zeit als Journalist so. Dabei habe ich Kurzgeschichten und Essays geschrieben, für türkische und kurdische Zeitungen wohlgemerkt. Aber insgeheim wollte ich schon immer was mit Film machen.“

Das ist seit dem Einmarsch des IS schwieriger geworden. Bis 2014 gab es in der Autonomen Region Kurdistan sogar eine Filmförderung. Inzwischen musste das lange Zeit einzige Kino, das auch in „Memories on Stone“ eine zentrale Rolle spielt, einem Restaurant weichen. Im letzten Jahr habe in Dohuk zwar wieder ein Multiplex aufgemacht, aber da laufen nur Hollywood-Filme. „Das kurdische Kino ist eben eher Arthousekino“, beschreibt Aktas die Situation. Immerhin hat sich mit dem Duhok International Film Festival zuletzt eine Plattform für kurdische Filmemacherinnen und Filmemacher etabliert. Mehmet Aktas und Mitos Film fungieren sozusagen als Brückenkopf nach Europa.

„Reseba – The Dark Wind“ läuft seit Donnerstag im Kino

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