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Sivasubramaniam Kajendrans Ausstellung „Ecology of Resilience“ ist in der Galerie Under the Mango Tree zu sehen.

© Sivasubramaniam Kajendran

Sri Lankas Trauma: Tamilischer Künstler verwandelt grausame Erlebnisse in friedvolle Bilder

Die Galerie Under the Mango Tree stellt die Bilder von Sivasubramaniam Kajendran erstmals in Europa vor. Eine Ausstellung über Bürgerkrieg und Tsunami, Verlust und Hoffnung.

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Laut einer indischen Mythologie trank Shiva das Böse der Welt und seine Kehle färbte sich blau. Der blaue Gott nimmt das Unheil auf, er tilgt das schlechte Karma, ohne sich selbst verderben zu lassen. Heutzutage würde man wohl sagen, Shiva verkörpert die Resilienz.

Die Bilder des sri-lankischen Künstlers Sivasubramaniam Kajendran tun das auf ihre Weise. In seinen Gemälden, die er in Öl ausführt, haben viele der dunkel gemalten Figuren etwas Blaues an sich, einen durchscheinenden Umhang, einen Wickelrock, hellblaue Augen.

Eine von ihnen schwebt in einer dreieckigen, blauen Hülle, umgeben von zarten Blüten und Fischen, der lange Hals eines Pelikans bildet eine Art Stütze für Nacken und Hinterkopf des auf Knien schwebenden Mannes. Die zweite dominierende Farbe ist ein kräftiges Gelb und dient in vielen Bildern als monochromer Hintergrund.

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Pelikan als Trostspender

Gelb steht, so erzählt es die Galeristin Mini Kapur, für das tamilische Volk. Hellblau für das Wasser, Dunkelball für das Unbekannte. „Ecology of Resilience“ lautet der Titel von Sivasubramaniam Kajendrans Ausstellung in der Berliner Galerie Under the Mango Tree. Der Künstler macht kein Geheimnis daraus, dass ihn ein Trauma verfolgt.

In seinen Bildern spielt es eine entscheidende Rolle, obwohl es nicht augenfällig wird. Die Ikonografie mit Fisch, Mensch und Vogel, die Farben Schwarz, Blau und Gelb tragen den Künstler durch seinen Verarbeitungsprozess: Sie verbinden ihn mit den Toten.

Vögel bringen die guten Nachrichten in Sivasubramaniam Kajendrans Bildern.

© Sivasubramaniam Kajendran

Der Distrikt Mullaitivu im Nordosten Sri Lankas, aus dem Kajendran kommt, war einst eine Hochburg der Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). 25 Jahre herrschte Bürgerkrieg zwischen den nach einem unabhängigen Staat strebenden Tamilen im Norden und der sri-lankischen Regierung. Noch heute ist die sri-lankische Armee im Norden des Landes präsent, ist die tamilische Minderheit nicht gleichberechtigt.

Blutiger Bürgerkrieg

Der Bürgerkrieg endete 2009 mit einer humanitären Katastrophe; Sivasubramaniam Kajendran, der sich kurz Siva nennt, erlebte sie aus nächster Nähe mit. Die Armee bombardierte in einer letzten Offensive gegen die Tamil Tigers einen Strand, auf den auch tausende Zivilisten geflohen waren, Kajendran wurde von Bombensplittern verwundet. Er überlebte, doch seine kleine Schwester blieb verschwunden. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge starben zwischen 40.000 und 70.000 Zivilisten in den letzten Kriegswochen.

Zu den unvorstellbar grausamen Erlebnissen im Bürgerkrieg kam eine weitere Katastrophe. 2004 suchte ein Tsunami den Norden und Osten des Landes heim. Kajendran war mit seiner Mutter und zwei Schwestern unterwegs, als die Welle anrollt. Die vier wurden auseinandergerissen, die ältere Schwester und die Mutter von den Fluten weggespült.

Mit seinen Bildern grüßt der Künstler die Angehörigen, die im Meer versanken. Seine Bilder sind wie leise Gebete. Die flächigen Figurationen strahlen eine große Ruhe und Friedlichkeit aus. Man spürt Trost, und hat doch im Hinterkopf, dass sie von Klimakrise, Krieg und Unterdrückung erzählen.

Oft tauchen Vögel neben den Köpfen der abgebildeten Figuren auf, der Künstler sieht sie als Boten – als Träger guter Nachrichten. Die Ikonografie erinnert an traditionelle Darstellungen hinduistischer Gottheiten. Geboren als Sohn eines hinduistischen Vaters und einer christlichen Mutter, schöpft der Künstler jedoch aus verschiedenen spirituellen Quellen, auch Marias blaues Gewand steht hier Pate.

Sivasubramaniam Kajendran, ohne Title, Öl auf Leinwand, 2024.

© Sivasubramaniam Kajendran/ Under The Mango Tree

2014 erwarb Kajendran seinen Bachelor in Kunstgeschichte an der Universität von Jaffna im Norden Sri Lankas, seit 2019 hält er einen Master in Kunst und Design von der Beaconhouse National University in Lahore, Pakistan. Seine Gemälde wurden in Galerien in New York, Los Angeles und Neu-Delhi ausgestellt, waren vielfach in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo zu sehen. Nun stellt er sie zum ersten Mal in Europa aus.

„Ich bin sehr geehrt, dass ich seine Arbeiten zeigen darf“, sagt Mini Kapur. Kapur, die ihre Galerie vor 14 Jahren in Berlin gründete und oft junge Positionen frisch von den Hochschulen der Hauptstadt zeigt. Im Moment ist Kajendran im Rahmen einer Residency in Paris und konnte deshalb auch zur Ausstellungseröffnung in Berlin anreisen. Sich vom Schmerz nicht unterkriegen zu lassen, ist eine Entscheidung. Nicht jeder ist imstande, sie zu treffen. Kajendran sendet eine bildstarke Ermunterung dazu.

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