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Kai Wegner empfängt Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew, anlässlich der Unterzeichnung der neuen Städtepartnerschaft von Berlin mit der ukrainischen Hauptstadt Kiew auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Städtepartnerschaft von Berlin und Kiew: Es wurde höchste Zeit!

Was seit langem gefordert wurde, ist endlich besiegelt. Wer könnte die Kiewer besser verstehen als die Berliner?

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Vielleicht ist es einigen entgangen bei all dem Drama um die brutale Zerstörung des Generalshotel auf dem Flughafengelände Schönefeld durch die Bundes- und die Flughafenverwaltungen sowie die Riesenchance, der Berliner Zentral- und Landesbibliothek endlich ein angemessenes Haus zu geben: Berlin hat eine neue Partnerstadt. Kiew gibt uns die Ehre – die ist es nämlich.

Seit eineinhalb Jahren verteidigt diese großartige Stadt mit aller Energie ihrer Bürger die eigene, die ukrainische und damit Europas Freiheit gegen den Angriff Putin-Russlands. Das geschah zeitweise wortwörtlich vor den Toren der Stadt, von Bastionen aus, die im 18. Jahrhundert angelegt worden waren und im Normalfall als Parkanlage dienen. Woran die Ukraine auch auf der aktuellen Architekturbiennale in Venedig erinnert. Mitten in den idyllischen Giardini, den Biennale-Gärten, wurden steil ansteigende Wälle aufgeschüttet. Viele, die hier fröhlich von den Anstrengungen der Ausstellung ausruhen, entdecken erst beim Verlassen der Anlage das Schild, auf dem erklärt wird:“Dies ist ein Nachbau der Bastionen von Kiew, die nun wieder in Kampf-Betrieb genommen werden mussten.“

Kiew wurde auch schon vor dem neuerlichen russischen Überfall immer wieder als Partnerstadt Berlins gefordert. Verhindert wurde das durch die deutsche Zögerlichkeit im Umgang mit der Ukraine generell und speziell durch lokalpatriotische Eifersucht, weil Leipzig bereits seit 1961 und – ausgerechnet – München seit 1989 Partnerstädte Kiews sind, sich außerdem Charlottenburg-Wilmersdorf schon 1991 mit dem Kiewer Bezirk Petschersk verband.

Auch die Straßen in Berlin sind von Niederlagen und Triumphen gezeichnet

Es wurde also Zeit: Kiew ist eine weit würdigere Partnerstadt als etwa Moskau oder Peking, die heute für vieles stehen, mit Sicherheit aber nicht für das, was Thomas Jefferson 1776 so herrlich (und hier sehr frei zitiert) in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung schrieb: Die Aufgabe jeder Regierung sei es, die Sicherheit des Lebens, der Freiheit und des individuellen Strebens nach Glück ihrer Bürger zu garantieren. Genau darum aber ging es vielen Ukrainern seit dem Zusammenbruch des sozialistischen Völkergefängnisses mit dem Namen Sowjetunion, als sie seit den 1990ern trotz aller Korruption und inneren Konflikten immer neue Versuche starteten, ihren Staat als einen demokratischen Rechtsstaat zu bauen.

Wer könnte die Mühe, die dieser Weg macht, besser verstehen als Berlin, als viele Berliner? Hier erinnert jede Straßenecke an fürchterliche Niederlagen wie den Zusammenbruch des demokratischen Preußen 1932, die Wahl der Nazis 1933, den Kriegsbeginn 1939. Aber diese Straßen haben eben auch das Votum der SPD-Mitglieder gegen die von Stalin geforderte Zwangsvereinigung mit der KPD zur SED 1946 gesehen, das Ausharren in der Blockade 1948-49, das der Welt bewies: Deutsche sind bereit, für die 1945 von den Alliierten geschenkte Freiheit zu leiden, sowie den Arbeiteraufstand 1953 und die Revolution 1989. Ja, Kiew und Berlin sind Schwestern. Es wurde höchste Zeit, das zu bekunden.

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