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Das Mauerbild "Vaterland" ist auf den Resten der Berliner Mauer, der East Side Gallery, zu sehen. Das Bild wurde in der Nacht durch arabische Schriftzüge mit Bezug zum Nahostkonflikt beschmiert, aber bereits wieder gereinigt. +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Vandalismus an der East Side Gallery: Wieso Günther Schäfers „Vaterland“ immer wieder neu gemalt werden muss

Mehr als 60 Mal musste das berühmte Bild von der Deutschlandfahne mit einem Davidstern seit 1990 wiederhergestellt werden. Und ist damit ein Symbol für die Kontinuität des Antisemitismus in Berlin.

Nikolaus Bernau
Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Stand:

Es ist „Berlin Freedom Week“. Seltsamer Name, wieso nicht „Berlins Woche der Freiheit“? Aber das erinnert wahrscheinlich zu sehr an „Tempelhofer Freiheit“ und damit eine der schmachvollsten Städtebau-Niederlagen von SPD und CDU. Lassen wir das trübe Thema und gehen in eine kleine Ausstellung der Stiftung Berliner Mauer an der Bernauer Straße.

Beleuchtet wird darin mit einigen originalen Dokumenten und Kunstwerken sowie klug gemachten Plakaten die Geschichte eines der berühmtesten Berliner Freiheitsdenkmale: Die East-Side-Gallery in Friedrichshain, entstanden vor ziemlich genau 35 Jahren; damals musste noch die NVA – das war, für glückliche Nachgeborene, die „Nationale Volksarmee der DDR“, die deren Machthaber vor der Nation und dem Volk schützte – das Projekt genehmigen.

Aber kann man, soll man diese auf Zeit geplanten Kunstwerke auch auf Dauer bewahren? Die Debatte war heftig, doch schließlich entschloss man sich, fast alle Bilder zu erhalten. Ich hätte wohl eher für neue Werke plädiert. Aber beim Anblick einer Collage Günther Schäfers, die in der Ausstellung hängt, denke ich mir heute: War doch richtig, an den alten Fassungen festzuhalten.

Der deutsche Künstler Günther Schaefer steht an der Eastside-Gallery in Berlin vor seinem Kunstwerk „Vaterland“.

© picture-alliance/ dpa/Gero Breloer

Die Collage dokumentiert, wie Schäfer von Beginn an für sein Werk „Vaterland“ kämpfen musste. Mindestens 65 Mal hat er es bis zu seinem Tod 2023 reinigen oder ganz neu malen müssen. Vergangene Woche wurde wieder ein Schänder seines Kunstwerks „Vaterland“ festgenommen. Warum dieser Hass? Weil er das für Republik, Demokratie und Freiheit stehende deutsche Schwarz-Rot-Gold (lassen wir nicht zu, dass diese Farben okkupiert werden von freiheitsfeindlichen Parteien…) kombinierte mit einem blauen Davidstern im Zentrum und zwei schmalen Streifen Blau im Randbereich. Zeitweilig malte er sogar eine Flagge Palästinas in die Komposition. Leider blieb diese Fassung nicht bestehen, auch sie wurde immer wieder beschmiert.

Ein Foto von 2020: Auch vor dem Krieg in Nahost wurde „Vaterland“ regelmäßig beschmiert.

© picture alliance/dpa/Carsten Koall

Damals gab es die ultrarechte Regierung noch gar nicht, die heute Israel so isoliert, ihre Politik der Entrechtung selbst von israelischen Palästinensern, ihre Unterstützung für rassistische Vertreibungsideen der „Siedler“-Bewegungen, ihren jeden Verteidigungs-Maßstab überschreitenden Krieg gegen die Hamas. Dieses Kunstwerk steht stattdessen für ein seit den 1970ern mühsam errungenes neues deutsches Geschichtsbewusstsein, das das Judentum als zentralen Teil deutschen Selbstbewusstseins zeigt. Angriffe darauf sollen also nicht Israel treffen, sondern Juden ausschließen, auch aus der deutschen Nation.

Kurz: Es handelt sich um blanken Antisemitismus. Dass er auch in Berlin eine fürchterliche Kontinuität hat, zeigt Günthers Collage. Ansehen!

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