Von schwindenden Freiheiten: Goethe-Institut ehrt Akteure der Zivilgesellschaft
Auch in diesem Jahr wurde in Weimar die Goethe-Medaille verliehen. Es ist ein wichtiges Zeichen in politisch angespannten Zeiten
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Yi-Wei Keng wird von seinen Freunden liebevoll als „Crazy Man“ bezeichnet: gebildet, getrieben, ein Radikaler in der taiwanesischen Kulturszene. In diesem Jahr ist der Kurator und Dramaturg – zusammen mit dem Filmmanager Gaga Chkheidze aus Georgien und dem Kuratorinnenkollektiv der OFF-Biennale Budapest aus Ungarn – einer der Preisträger der Goethe-Medaille, der höchsten Auszeichnung der auswärtigen Kulturpolitik.

© French Fries Photo
Ich mag Deutschland, weil es mir die Möglichkeit gibt, mir Gedanken darüber zu machen, wer ich bin. Das ist der Anfang der Freiheit.“
Yi-Wei Keng, Taiwanesischer Kurator.
Seit 1955 wird diese jedes Jahr am Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe vergeben. Zusammen mit dem Kultursymposium Weimar sind es zwei Formate, die den Namensgeber der Institution würdigen. Zugleich sind es Momente, in denen die Arbeit und das Netzwerk des Goethe-Instituts in Deutschland sichtbar gemacht werden sollen.
Die Anspannung ist nicht ganz so groß wie im vergangenen Jahr, als Außenministerin Annalena Baerbock die Begrüßungsrede hielt. Das war eine politisch wichtige Geste, nachdem zunächst die institutionelle Förderung stark gekürzt worden war und unter Baerbocks Führung dem Goethe-Institut ein Reformprozess mit dem Auswärtigen Amt nahegelegt wurde. Jener wurde kürzlich abgeschlossen. Ergebnisse sollen im Herbst vorgelegt werden.
Orte der Freiheit
Davon war in Weimar nur am Rande die Rede. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grüne) ging auf die wichtige Bedeutung des Goethe-Instituts ein. Man könne es nicht zulassen, zu schweigen, weder in Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, noch in anderen politischen Kontexten. Vielmehr gehe es darum, Räume zu erhalten, in denen Menschen Gehör fänden, und genau das wolle die deutsche Kulturpolitik heute im Ausland erreichen.
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Dann aber lag der Fokus auf den diesjährigen Preisträgern. Sie alle arbeiten an Orten, in denen künstlerische oder politische Freiheit keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Dabei sind die politischen Situationen in ihren Ländern nicht vergleichbar: Taiwan zählt zu einer der lebendigsten Demokratien Asiens, fühlt sich aber zunehmend von Chinas Expansionspolitik bedroht. In seiner Dankesrede benutzte Keng eine passende Metapher: Tiere würden in Zeiten der Bedrohung ihre Zähne fletschen. Nur der Mensch könne aus dem Fletschen ein Lächeln machen. Genau hierfür sei die Kultur entscheidend.

© Willie Schumann
Filmmanager und -kurator Gaga Chkheidze wiederum sieht sich in seinem Land Georgien mit einer zunehmend restriktiven Kulturpolitik konfrontiert – einer Politik, in deren Folge er selbst 2022 als Leiter des Nationalen Filmzentrums abgesetzt wurde. Er betont, dass die Durchführung eines Festivals in Georgien nur noch mit großen Schwierigkeiten verbunden war und ist. Ohne die Hilfe von Kulturinstitutionen und Fördergremien aus dem Ausland sei ein Filmfestival in Georgien derzeit völlig unmöglich, so Chkheidze. Seine eigene Verbindung zu Deutschland geht bereits auf seine Studienzeit zurück. Lachend erzählt er in seiner Dankesrede von seinen prägenden Universitätsjahren in Jena und schwärmt von verrauchten Studentenkneipen im Untergrund.

© Gabriella Csoszó, Kriszta Lettner
Die Kuratorinnen der Off-Biennale Budapest haben als Zeichen des politischen Protests hingegen eine alternative Biennale etabliert. Sie nehmen kein Geld von der derzeitigen ungarischen Regierung an. Und dies mit Erfolg: Seit ihrer Gründung ist die Biennale eine der größten unabhängigen Kulturveranstaltungen im Land geworden.
Wenn heute das Kollektiv der Frauen der OFF-Biennale Budapest die Goethe-Medaille überreicht wird, dann wird damit ein Kollektiv geehrt, das sich die Ermöglichung der Begegnung unabhängiger Erfahrungen auf ihre Agenda geschrieben hat.
Susanne Pfeffer, Kunsthistorikerin und Kuratorin.
Mit Optimismus trotzen
So unterschiedlich die Lage in den jeweiligen Ländern, so leidenschaftlich gehen die drei Preisträger und Preisträgerinnen auf die schwindenden Freiheiten für Künstler, Künstlerinnen und Kulturschaffende in ihren Worten ein. Auch in Deutschland seien Einschränkungen mitunter zu spüren, sagte Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts, in Weimar. Auch hierzulande verschärften sich die Debatten, tobe ein „Kulturkampf“. Mitunter würden Kulturveranstalter vorsichtiger, übten sogar Selbstzensur, konstatierte Lentz. Doch Grund für Optimismus gebe es immer. Das sehe man an den Preisträgern und Preisträgerinnen, aber auch an dieser Art von Veranstaltungen, die Freiheitsräume offen hielten.
Es sind verbindende Worte an diesem Montag in Weimar. Und doch weht direkt vor den Toren der Stadt und noch einmal mehr in vielen Ländern dieser Welt ein deutlich härterer Wind, ist es politisch angespannter geworden. Das spüren die Künstler und Akteure der Zivilgesellschaft in vielen Ländern, es spürt aber auch eine Institution wie das Goethe-Institut.
Am Ende seiner Rede spricht Staatsminister Lindner allen Preisträgern und Preisträgerinnen noch einmal Mut zu: „Machen Sie weiter. Denn wir brauchen Sie. Gegen das Schweigen.“
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