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Schülerinnen und Schüler einer vierten Klasse einer Grundschule.

© dpa/Marijan Murat

Wenn Schulen die Konfessionen abfragen: Die Jüdin in der Statistik

In ihrer Schulzeit fiel unsere Schlamasseltov-Kolumnistin bei Erhebungen zur Religionszugehörigkeit durch das Raster. Die Kategorie „jüdisch“ war nicht vorgesehen.

Debora Antmann
Eine Kolumne von Debora Antmann

Stand:

An anderer Stelle habe ich bereits einmal geschrieben, dass ich meinen Schulabschluss an einer katholischen Schule in Berlin gemacht habe. Ich bin bis heute sehr amüsiert darüber, dass ausgerechnet ich, als offen lesbische Jüdin Schulsprecherin einer katholischen Schule war und letztendlich sogar den Papst am Flughafen in Empfang genommen habe (bevor ich auf die Anti-Papst-Demo weitergezogen bin).

Aber das ist nicht die einzige Anekdote einer Jüdin an einer katholischen Schule. Zu Beginn des Schuljahres gibt es eine Erhebung: Wer in der Klasse ist katholisch, wer evangelisch, wer freikirchlich und wer konfessionslos.

Ein Déjà-vu: Auf meiner ersten Grundschule in Baden-Württemberg war ich einmal in einer ähnlichen Situation. Damals wurde abgefragt, wer katholisch und wer evangelisch sei (für den Religionsunterricht) und als das Ergebnis nach zweimaliger Abfrage immer noch nicht mit der Anzahl der Schüler*innen übereinstimmte, sollten alle aufstehen.

Erst sollten sich die evangelischen Kinder hinsetzen, dann die katholischen und am Ende stand da nur noch ich. Auf die Frage meiner Lehrerin warum ich noch stünde, antwortete ich: „Wir sind Juden“. Worauf ein Mitschüler laut krakeelte: „Hääää, die sind doch tot!“

Handschriftliche Ergänzung des Formulars

Entsprechend zögerlich antworte ich meinem Berliner Oberschullehrer, dass ich nichts von den aufgezählten Möglichkeiten, sondern jüdisch sei. Mein Lehrer stellt zerknirscht fest, dass es dafür kein Feld auf dem Erhebungsbogen gibt. „Das ist ja ärgerlich. Dann schreibe ich das erstmal handschriftlich auf“.

Im nächsten Jahr die gleiche Erhebung mit aktualisiertem Fragebogen. Nun stehen auf dem Zettel meiner neuen Lehrerin folgende Auswahlmöglichkeiten: katholisch, evangelisch, freikirchlich, konfessionslos, jüdisch und sonstiges. Da ich in der Zwischenzeit nicht zu der anerkannten Religion „Sonstiges“ konvertiert bin, antworte ich also wieder „jüdisch“.

Meine Lehrerin ist BEGEISTERT! Es hätte letztes Jahr bereits eine Jüdin in der Statistik gegeben! Meine trockene Antwort: „Das war auch ich …“ Die Jüdin in der Statistik: Das fasst eigentlich perfekt jede Erfahrung auf jeder Schule zusammen, auf der ich je war! Egal ob Berlin oder Baden-Württemberg.

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