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Zum Tod der Berliner Performerin Eva: Von der Kraft der Kunst
Über drei Jahrzehnte haben sich Eva & Adele als Performance-Paar einen Namen gemacht. Nun verwaltet Adele das Erbe ihrer gemeinsamen Zeit. Ein Nachruf auf Eva.
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Beharrlichkeit hat aus Eva & Adele ein lebendes Kunstwerk gemacht. Anfang der 1990er Jahre entschieden sie sich für eine Existenz als weibliches gelesenes Zwillingspaar mit nahezu identischem Aussehen: den Kopf kahl rasiert, bewusst überschminkt, leuchtend farbige Kostüme und Pumps für beide. Aufgetreten sind sie seitdem konsequent zu zweit, haben sich anfangs in Berlin die Beine auf Vernissagen in den Bauch gestanden, sind über Kunstmessen und durch Ausstellungen flaniert. Mit Erfolg: Längst kennt man sie weit über die Hauptstadt hinaus.
Große Trauer
Entsprechend groß ist die Trauer über den Verlust von Eva, den Adele auf Instagram bekannt gegeben hat. Im Radio und in den Tageszeitungen wird darüber berichtet, Fans senden Herzen in den sozialen Medien auf Adeles Veröffentlichung eines Porträts von Eva, den 21. Mai als ihren Todestag und ein sehr persönliches Statement: „Eva ist heute zurück in die Zukunft gegangen. Sie hat diese Welt verlassen und die ewige Bühne betreten.“ Eva habe nach einer aufwändigen Operation an der Wirbelsäule schließlich keine Energie mehr gehabt und sei in ihren Armen gestorben. Adele bleibt zurück, mit einem umfassenden Lebenswerk, das sie – jedenfalls in der hiesigen Dimension – nun allein fortführen muss.

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Dass sie fest dazu entschlossen ist, hat die Künstlerin bereits erklärt. Zum doppelten Auftritt, der nicht bloß die visuellen Gewohnheiten auf den Kopf stellte, gesellt sich ein großes Oeuvre mit Malerei, Fotografie und Installationen. „Flügelschlag“ hieß 2023 eine ihrer gemeinsamen Ausstellungen im Kunstverein Heppenheim, „Keep the Rosy Wing strong“ eine Soloschau im Jahr davor in München.
Sie waren stets Eva & Adele, auch in ihren Träumen
Hamburger Bahnhof auf Instagram
Halte die rosafarbenen Flügel steif – das möchte man jetzt auch Adele zurufen, die sich wie Eva über drei Jahrzehnte unendlich diszipliniert hat. Öffentlich traten sie stets nur zusammen auf, Privates war tabu. Selbst Hausbesuche wurden sorgfältig inszeniert.
2018 besuchte Tagesspiegel-Redakteurin Gunda Bartels das Paar in Charlottenburg. „Das Begrüßungskomitee wartet auf dem Treppenabsatz. Rosa Lurexpullis, schwarze Wollröcke, Silberstiefeletten. Wie immer steht die kleinere Adele links“, schrieb Bartels über ihr Treffen anlässlich einer Ausstellung im Berliner Me Collectors Room des Supersammlers Thomas Olbricht. Und dass Eva & Adele in der Schau 163 Kostümpläne zeigen würden, auf denen sie „haarklein unterteilt in Kategorien wie Mieder, Strümpfe, Schuhe, Taschen ihr Outfit auflisten.

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Eine Packlisten-Performance, die ein kurioses Schlaglicht auf die ungeheure Kraftanstrengung eines künstlerischen Lebensentwurfs wirft, der zwar den Rückzug in die eigenen vier Wände kennt, aber keine Pause voneinander.“
Die identischen Auftritte waren harte Arbeit
Die identischen Auftritte waren harte Arbeit. Sie dienten allerdings nicht allein der Prominenz. Eva & Adele stritten über drei Jahrzehnte lang für ihr Recht auf Anderssein. Es gab Situationen mit Potenzial zur Eskalation: Skinheads in Weimar oder aufgebrachte Mitreisende im venezianischen Vaporetto, die sich von dem Paar provoziert fühlten. Am Verhalten von Eva & Adele hat es nicht gelegen, Höflichkeit und ein fast eingefrorenes Lächeln gehörten zum festen Equipment. Vielmehr lag es an der gewollten Uneindeutigkeit einer in jeder Hinsicht trans-istorischen Existenz.
Klar ist: Eva & Adele waren verheiratet, Eva überragte Adele um 15 Zentimeter, so steht es offiziell auf ihrer Website. Klar ist auch, dass es eine Stiftung geben wird, die das gemeinsame Werk auch künftig sichtbar werden lassen soll. Dass sie aus der Zukunft nach Berlin gekommen sind, gehört hingegen zu den Behauptungen, die Adele in ihrem Nachruf aber noch einmal unterstrich: „Ihr Glaube an die Kraft der Kunst war unendlich. Futuring.“
Als Performerinnen sind die beiden visionär, ihr Engagement für Toleranz und Selbstbestimmtheit bestimmte beider Leben. Wer sich dies vergegenwärtigen möchte, sollte die Dauerausstellung im Hamburger Bahnhof anschauen: Das Duo übergab dem Museum 2023 die Arbeit „CUM-Polaroids“ als Schenkung mit über 200 Polaroids, die Eva & Adele bei ihren Auftritten weltweit zeigen. „Sie waren stets Eva & Adele“, schreibt das Haus auf Instagram, „sogar in ihren Träumen“.
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