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Arbeitsamt in der besetzten Sowjetunion, Dezember 1942. Rund 2500 Mitarbeiter des Ministeriums waren im okkupierten Europa tätig.

© Bayerische Staatsbibliothek München / Bildarchiv

Reichsarbeitsministerium 1933-1945: Zwangsarbeit für die Wirtschaft

Besatzung und Terror: Das Beispiel Ukraine

Freudig begrüßen im September 1941 die Einwohner von Krementschuk einen deutschen Soldaten, der auf einem Militärfahrzeug sitzt und den Ukrainern zulächelt. Doch der Schein des Fotos trügt. „Die Ukrainer freuten sich zunächst, dass die Deutschen sie von dem stalinistischen Terror der Sowjetunion befreit hatten“, sagt Swantje Greve, Kuratorin der Ausstellung „Das Reichsarbeitsministerium 1933– 1945. Beamte im Dienst des Nationalsozialismus“, die die Stiftung Topographie des Terrors derzeit zeigt. Zunächst hätten Ukrainer durchaus freiwillig auf das Werben der Deutschen reagiert. Doch sehr schnell habe sich herumgesprochen, dass sie im Deutschen Reich sofort in Lagern hinter Stacheldraht untergebracht worden seien.

Die Deutschen waren nicht als Befreier, sondern als Kolonisatoren gekommen, die die eroberten Gebiete „zivilisieren“ wollten. Gleich nach dem Einmarsch wurden deutsche Arbeitsämter eingerichtet – mithilfe der Beamten des Reichsarbeitsministeriums. Für Juden wurde der Arbeitszwang eingeführt und die übrige ukrainische Bevölkerung zur Arbeit verpflichtet. Als Zwangsmittel wurden Lebensmittelkarten genutzt. Sie bekam nur, wer beim Arbeitsamt gemeldet war.

Wegen der miserablen Behandlung von Arbeitskräften im Deutschen Reich fanden die Besatzer immer weniger Freiwillige. Zum einen mussten also Einheimische im Land zur Arbeit verpflichtet werden, zum anderen ausländische Arbeitskräfte ins Deutsche Reich geschickt werden. Beides geschah zunehmend unter Einsatz von Gewalt. Dabei reisten die „Werber“ mithilfe ukrainischer Helfer von Dorf zu Dorf, um eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften „anzuwerben“.

Blick in die Sonderausstellung des Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, "Das Reichsarbeitsministerium 1933-1945: Beamte im Dienst des Nationalsozialismus". Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse einer Unabhängigen Historikerkommission, die seit 2013 die Geschichte des Reichsarbeitsministeriums in der NS-Zeit erforscht hat.
Blick in die Sonderausstellung des Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, "Das Reichsarbeitsministerium 1933-1945: Beamte im Dienst des Nationalsozialismus". Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse einer Unabhängigen Historikerkommission, die seit 2013 die Geschichte des Reichsarbeitsministeriums in der NS-Zeit erforscht hat.

© Monika Skolimowska / dpa

Cajetan Graf von Spreti (1905–1989) war Leiter solch einer „Werbekommission“ in der besetzten Ukraine. Allein 44 000 Menschen wurden von seiner Dienststelle zur Arbeit im Deutschen Reich gezwungen. Bevor er 1941 in die Ukraine abgeordnet wurde, hatte Spreti Arbeitsämter in Kempten und Freising geleitet. Spreti, der 1930 der SA und der NSDAP beigetreten war, machte sich über seinen wahren Auftrag keine Illusionen: „Die Zeit, in der noch von einer Werbung von Arbeitskräften gesprochen werden konnte, ist längst vorbei. (...) Dass bei dem zunehmenden Unwillen der Bevölkerung (...) auch verstärkte Maßnahmen zur Erreichung des Zieles notwendig sind, ist verständlich“, rapportierte er im Dezember 1942.

Kinder und Jugendliche wurden zur Arbeit verschleppt

Selbst Kinder und Jugendliche wurden zur Arbeit verschleppt. „Deutsche holten uns ab und luden uns in die Güterwagen. Dort waren alle: alte Frauen, Kinder, junge Ehemänner, Jungverheiratete, nun alle, die zu Hause waren, sie nahmen alle, die sie brauchten, sie brauchten Arbeitskräfte, das war kein Scherz“, berichtet Marija F. G., die mit 15 Jahren ins Deutsche Reich deportiert wurde, um in der Landwirtschaft Zwangsarbeit zu leisten. Nach der Befreiung im Mai 1945 kehrte sie in ihre Heimatstadt Charkiw zurück.

Karriere nach Kriegsende

Viele Ukrainer entzogen sich der Zwangsarbeit und schlossen sich den Partisanen an. Das führte zu brutalen Reaktionen der deutschen Besatzer. Auch Graf von Spreti beteiligte sich an „Antipartisanenaktionen“ der SS, um Arbeitskräfte zu rekrutieren. Dabei wurden systematisch Dörfer niedergebrannt. Spreti geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung machte er nach 1947 Karriere in einer Maschinenfabrik. Für seine Verbrechen in der Ukraine wurde er nie zur Rechenschaft gezogen.

Mehr über das perfide System Zwangsarbeit erfährt man in der Ausstellung des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin-Schöneweide.

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