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Aus dem Kloster in die Welt: Agata Trzebuchowska als Anna alias Ida.

© Arsenal Filmverleih

Pawel Pawlikowskis Holocaust-Drama "Ida": Zwischen zwei Welten

Der polnische Kunstfilm lebt: In "Ida" schafft Regisseur Pawel Pawlikowski still und leuchtend ein Panorama zwischen Kommunismus, Glaube und Antisemitismus.

Sie ist allein auf der Welt. Klostermauern umstanden schützend ihre Kindheit, ihre Familie, das sind die anderen jungen Mädchen, Novizinnen wie sie. Gleich werden sie ihr Gelübde ablegen. Anna trägt keine Zweifel, keinen Aufruhr in sich, sie ist bereit. Doch da schickt die Äbtissin sie hinaus, ihre einzige lebende Verwandte zu treffen, von der sie bis eben nicht wusste.

Polen 1962. Anna geht in die Stadt, sie geht in die Welt. Pawel Pawlikowski („My Summer of Love“) hat diesen wunderbar stillen Film in leuchtendem Schwarz-Weiß gedreht. So viele eigentümlich schöne Einstellungen gibt es in diesem Film, man möchte jede einzeln rahmen. Pawlikowski schaut mit Annas Augen. Mag sein, seine Ruhe, seine Sicherheit ist die von Annas Kloster. Anna, die nun bald erfährt, dass sie eigentlich Ida heißt, Ida Lebenstein. Sie ist eine Jüdin.

Agata Trzebuchowska spielt dieses weltentzogene, plötzlich in die Welt geworfene Mädchen, als sei etwas in ihr, etwas über ihr, das sie schützt. Sie findet ihre Tante, eine Kommunistin, eine Richterin, eine Jüdin, in der sich Weltanschauung, Beruf und das eigene Schicksal zu etwas verbunden haben, das man wohl nur Gnadenlosigkeit nennen kann.

Die Grausamkeit des Daseins

Wanda, die rote Wanda. Die Lebensunschuld auf dem Gesicht ihrer Nichte provoziert sie, am liebsten würde sie ihr alle Grausamkeit des Daseins vor die allzu sanften Augen halten. Da ist kein Gott! Da kann keiner sein! Wanda nimmt sich vom Leben, von den Männern, was sie will. Sie meint, ihr Leben fest in der Hand zu halten, und spürt doch, wie es ihr immer mehr entgleitet. Die Jüngere macht ihr die eigene Verlorenheit schmerzhaft bewusst. Dafür hasst sie Ida. Sie fühlt ihren Blick auf sich. Ist gar Mitleid darin?

Was diesen Film trägt, ist die Spannung zwischen den beiden Frauen, die zugleich eine zwischen zwei Welten ist. Agata Kulesza umgibt ihre Wanda mit einer Aura von Verzweiflung, von Einsamkeit. Und doch rührt sie das Weltvertrauen des Mädchens, der einzigen Verwandten, die auch sie noch hat. Die rote Wanda weiß, dass es nun Zeit ist, sich dem Schicksal der eigenen Familie zu stellen. Was ist der Schwester, ihrem Mann und ihren Kindern genau widerfahren, in jenem polnischen Dorf während des Kriegs? Gemeinsam mit Ida, für Ida möchte sie in die Gesichter der Gleichgültigen sehen. Oder sind es die Gesichter der Täter?

Pawlikowski entfaltet in „Ida“ ein Panorama zwischen Kommunismus, Glaube und Antisemitismus, ohne je das Ideologische, Formelhafte zu streifen. Es ist, als ob die Schönheit dieses Films eine Antithese zur Grausamkeit der Geschichte wäre. Ein fragiler Schutz und doch der einzige, manchmal.

OmU: Eiszeit, FT am Friedrichshain, fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe, Kant Kino, Krokodil

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