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Finanzminister, Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil bei Caren Miosga.

© imago/HMB-Media/IMAGO/Uwe Koch

Lars Klingbeil bei „Miosga“: Der Vizekanzler, die AfD und ein während der Sendung gelöschtes Kot-Emoji

Der Finanzminister schwört die Bevölkerung bei „Miosga“ auf Kürzungen ein – und den Koalitionspartner gleich mit. An einer Stelle wird es für Klingbeil peinlich. Die TV-Kritik.

Stand:

Über mangelnde Prominenz in ihrer Sendung kann sich Caren Miosga nicht beschweren: Eine Woche nach Kanzler Friedrich Merz (CDU) begab sich Finanzminister, Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntagabend ins TV-Studio, um der ARD-Moderatorin Rede und Antwort zu stehen.

Wie schlug sich der Vizekanzler, und wo verzettelte er sich? Die Sendung in der TV-Kritik.

Zwischen Hoffnung und Skepsis

Als „Miosga“ ausgestrahlt wird, befinden sich die übrigen Geiseln der Hamas noch im Gazastreifen. Ob die geplante Übergabe an Israel am Montagmorgen gelingen wird, ist unklar. „Ich möchte gerne Hoffnung haben“, sagt Klingbeil. Davon unbenommen schwingt Skepsis mit, wenn der Vizekanzler über die Lage in Nahost spricht.

Dass es zu einer Waffenruhe kam, rechnet er ausdrücklich dem US-Präsidenten an. „Ohne Donald Trump hätte es das nicht gegeben. Das ist sein Verdienst“, lobt Klingbeil.

Ob Trump dafür den Friedensnobelpreis hätte bekommen sollen, möchte er nicht kommentieren. Stattdessen verteilt er Spitzen gegen den US-Präsidenten. Trump habe sich um den Preis zwar „sehr massiv beworben“, sagt Klingbeil. „Aber wenn ich mir die innenpolitische Situation in den USA angucke, dann ist das alles andere als befriedet.“

Falls die Waffenruhe in Nahost halte, sei das „eine Möglichkeit für einen Neustart“, die „für alles“ gelte, betont Klingbeil mit Blick auf den zukünftigen Umgang Deutschlands mit der Regierung Netanjahu. Die Entscheidung zur Einschränkung der Waffenlieferungen an Israel werde dann neu bewertet.

Parteichef ohne Durchgriff?

Nach diesem knappen Abstecher in die Weiten der Weltpolitik widmet Miosga die restliche Sendezeit den eher provinziell anmutenden deutschen Debatten. Knapp ein Drittel der Sendezeit ist vergangen, als es für Klingbeil richtig peinlich wird.

Die Moderatorin kramt einen Online-Beitrag hervor, den die SPD kürzlich in sozialen Medien geteilt hatte. Zu sehen ist ein Balkendiagramm, das zeigt, welcher Partei die Befragten am meisten Kompetenz in Sachen sozialer Gerechtigkeit zuschreiben. Die einzelnen Balken sind mit den Namen der jeweiligen Partei beschriftet – außer jener der AfD. Unter ihrem Balken ist anstelle des Parteinamens ein Kot-Emoji abgebildet.

„Ist die AfD scheiße oder diese Marketing-Idee?“, trifft Miosga mit ihrer Frage ins Schwarze (oder Braune). „Als ich das gesehen habe, hab ich sofort angerufen und gesagt, das akzeptiere ich nicht“, beteuert Klingbeil. Das habe er unter anderem gegenüber dem SPD-Generalsekretär „sehr deutlich gemacht“. Der Beitrag „müsste mittlerweile auch entfernt sein von den Seiten“, behauptet der SPD-Chef.

Wie sich schon während der Sendung herausstellt, hat sich Klingbeil mit dieser Aussage zu weit aus dem Fenster gelehnt. Um 22.10 Uhr findet sich der Post zumindest noch im Online-Portal „Threads“. Nach dem Ende der Sendung, Stand 22.48 Uhr, ist er dort plötzlich nicht mehr auffindbar.

Dass es kein gutes Bild abgibt, wenn der SPD-Chef seinen Leuten eine Anweisung gibt, die offenkundig nicht konsequent umgesetzt wird, ist eine Sache. Relevanter noch scheint die Frage, auf die Miosga letztlich hinauswill: Wie soll (nicht nur) die SPD mit der Konkurrenz von Rechtsaußen umgehen?

So jedenfalls nicht, befindet Klingbeil. „Die AfD ist eine rechtsextreme Partei“, sagt er – viele AfD-Wähler aber seien es nicht. Es gebe auch Leute, die sich aufgrund des Streits in der Ampel abgewandt hätten von der klassischen Politik, erklärt der SPD-Chef. Viele von ihnen ließen sich „zurückgewinnen“. Sowieso wolle er „nicht die Wähler der AfD beschimpfen“.

Klingbeil, der Hütchenspieler

Als die anderen Gäste in die Sendung dazustoßen, gerät Klingbeil gleich von mehreren Seiten in Bedrängnis. Die Ökonomin Monika Schnitzer und der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Markus Preiß, konfrontieren den Finanzminister etwa mit der desolaten finanziellen Lage in vielen Kommunen.

Damit sich vor Ort wirklich etwas zum Besseren verändere, müssten die Städte und Kreise nicht nur stärker vom Sondervermögen profitieren, sondern zugleich strukturell anders finanziert werden, so die Kritik. Ansonsten nehme die Demokratie Schaden, fürchtet Preis.

Klingbeil gibt zu, dass es „ein strukturelles Problem“ gebe. Wie dieses gelöst werden kann, sagt er dagegen nicht. Stattdessen verweist der Finanzminister, wie so oft in dieser Sendung, auf „Diskussionsprozesse, die gerade laufen“.

Im Raum steht auch der Vorwurf, Klingbeil sei ein „talentierter Hütchenspieler“, der den Bundeshaushalt zum „Verschiebebahnhof“ umfunktioniere, wie Miosga es formuliert. Statt die 500 Milliarden Euro Sonderschulden wie vereinbart für zusätzliche Investitionen auszugeben, entlaste der Finanzminister den Kernhaushalt, indem er Vorhaben ins Sondervermögen verschiebe.

„Wir kürzen im Kernhaushalt nichts, nein!“, behauptet Klingbeil. Dass der Haushalt für 2027 vor Finanzierungsprobleme stehen würde, sei schon früh klar gewesen. „Die Lücke war schon da. Wir machen sie größer“, sagt Klingbeil erstaunlich offen. Dazu trage auch die Mütterrente bei, bekennt er.

Dieses teure Wunschprojekt der CSU kritisiert Monika Schnitzer mehrfach. Kommunen hätten keinen funktionierenden Sportplatz, argumentiert sie, und trotzdem finanziere der Bund lieber die Mütterrente, „die für den Zusammenhalt glaube ich nicht so wichtig ist“. Warum man sich darauf in den Koalitionsverhandlungen geeinigt habe, fragt sie Klingbeil konsterniert.

„Sie haben nicht mit Markus Söder verhandelt“, witzelt der. Zwischen den Zeilen lässt Klingbeil deutlich erkennen, dass er ebenfalls andere Prioritäten gehabt hätte. Er trage das Projekt dennoch mit, „weil ich möchte, dass dieses Land stabil regiert wird“. Die Mütterrente als Gewähr für die Stabilität der Regierung – kein schönes Bild.

Ein vages Versprechen

Um die großen Lücken in den Haushalten der kommenden Jahre zu schließen, werde es mehr brauchen als einzelne Maßnahmen, betont Klingbeil immer wieder. „Die Menschen wissen auch, dass sich was verändern muss, die sind nicht doof.“

Allerdings dürfe nicht nur beim Sozialstaat eingespart werden: „Es wird dann funktionieren, wenn wir auch uns trauen, bei denen, die viel Geld in diesem Land haben, auch da ranzugehen.“ Jeder Regierungspartner, so sieht es Klingbeil, müsse zu Einschnitten bereit sein.

Worin diese Zumutungen bestehen könnten, lässt er weitgehend offen. „Irgendwann wird es den Moment geben, und der muss zeitnah sein, wo wir vor die Presse treten und sagen, das ist ein Gesamtpaket, und hiermit sparen wir 34 Milliarden ein“, kündigt der Finanzminister etwas nebulös an. Das müsse „um den Jahreswechsel rum“ geschehen.

In puncto Erbschaftssteuer hält sich Klingbeil ebenfalls mit Details zurück. „Ich bremse Jens Spahn nicht bei der Debatte“, frotzelt er mit Blick auf die Einlassungen des Unionsfraktionschefs zur Vermögensungleichheit in Deutschland.

Eine Reform der Erbschaftssteuer wird also kommen? „Auch da werde ich jetzt nicht in so einen Fight an einem Sonntagabend gehen“, sagt Klingbeil. Offenbar schont er seine Kräfte für das nächsten Ringen im Koalitionsausschuss.

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